Lohnt sich überhaupt noch der Blick auf das traditionelle, lineare Fernsehen in Zeiten von Youtube und Netflix und all den anderen digitalen Bewegtbildplattformen bis zu Snapchat und Instastories? Verfügbare Daten sagen: Er lohnt sich noch eine ganze Weile. Österreichs Fernsehmarkt, und warum er ist, wie er ist.

Das Wichtigste

  • Wieviele Streaming-Abos gibt es in Österreich? 2,378 Millionen sollen es 2020 gewesen sein laut Daten von Ampere Analysis, veröffentlicht in einer großen Streamingstudie des European Audiovisual Observatory im Februar 2021. Die drei größten Player – Netflix, Amazon Prime und Disney+ – sichern sich demnach 87 Prozent dieses Marktes. Amazon Prime soll mit 40 Prozent Marktanteil und damit gut 950.000 Abos knapp vor Netflix mit 39 Prozent Marktanteil mit rund 927.000 Abos liegen. Disney+ wird 2020 auf 8 Prozent taxiert, das wären rund 190.000 Abos in Österreich. Ebenfalls laut Ampere Analysis kamen in Österreich 2019 auf 100 Haushalte 45 Streamingabos, und 56 Pay-TV-Abos.
  • Klassisch lineares Fernsehen liegt im Frühjahr 2020 laut Bewegtbildstudie der RundfunkregulierungsgmbH RTR beim Gesamtpublikum noch deutlich vor Streaming. Beim jüngeren Publikum zwischen 14 und 39 liegt Streaming – gemeint vor allem: Youtube, Netflix, Amazon – schon vor dem laufenden TV (gerechnet ohne Mediatheken von TV-Sendern).
  • Unter den Streamingangeboten liegt das hier vor allem werbefinanzierte Youtube deutlich vorne, die großen Pay-Angebote wie Netflix und Amazon folgen dahinter. Weder Netflix noch Amazon veröffentlichen bisher nationale Abo- oder Nutzungszahlen. Im Herbst 2019 starteten Apple TV+ und vor allem Disney+, voraussichtlich ab Frühjahr 2020 auch in Österreich.
  • Marktführer ORF. Im klassischen Fernsehen hat der öffentlich-rechtliche ORF beim Gesamtpublikum die weitaus höchsten Marktanteile laut Teletest, insbesondere dank ORF 2 und, mit einigem Abstand, dem jünger positionierten ORF 1, auch das deutlich vor allen privaten Einzelprogrammen. In der Hoffnung auf Einfluss auf den ORF ließen Österreichs Regierungsmehrheiten (meist SPÖ und ÖVP) privates nationales Fernsehen über Antenne erst 2001 zu, später als alle anderen Länder Europas. Das sicherte die herausragende Marktposition des ORF bis heute.
  • Werbemarktführer ProSiebenSat1Puls4. In der Werbezielgruppe zwischen 12 und 49 Jahren liegt der private TV-Konzern ProSiebenSat1Puls4 in Österreich vorne, seit er 2017 auch ATV und ATV 2 übernommen hat. Die Tochter des börsenotierten Münchner ProSiebenSat1-Konzerns verdankt ihre Marktposition nicht zuletzt Werbefenstern.
  • Werbefenster betreiben RTL-Gruppe (zusammen mit der Krone) und ProSiebenSat1 seit 1996 in Österreich. Werbefenster bedeutet: Für Deutschland produzierte und finanzierte Fernsehprogramme wie RTL oder ProSieben werden für Österreich parallel zum Mutterprogramm auf weiteren Frequenzen ausgetrahlt, die Werbeplätze in Österreich aber noch einmal verkauft. Das bedeutet: Zusätzliche Werbeeinnahmen ohne zusätzliche Programmkosten und deshalb auch billiger für die Werbekunden angeboten. Diese privaten Werbefenster prägen Österreichs TV-Werbemarkt, lange bevor Österreich private österreichische Fernsehprogramme zugelassen hat. Und als sie starten konnten, blieb zwischen ORF und Werbefenstern wenig Platz für sie – siehe ATV.
  • ORF-Player. Der ORF hat mit seinem ORF-Player in Sachen Streaming ab 2020 einiges vor – je nach seinen gesetzlichen Möglichkeiten. Die Social-Streaming-Plattform soll unter dem Titel ORF On aus einer Reihe von Channels für Sport, Information, Kinder, Kultur, Wissenschaft und Religion, Audioinhalte bestehen, produziert auch zuerst oder auch alleine für die digitale Welt, mit User-Beiträgen, mit Foren für Diskussionen über das Programm insbesondere auch mit den Programmmachern.
  • Förderungen. Der ORF erhält rund 640 Millionen Euro pro Jahr aus GIS-Rundfunkgebühren als öffentliche Förderung (dazu kommen Produktionskostenzuschüsse, Projektförderungen, öffentliche Werbung), die Privatrundfunkförderung subventioniert kommerzielle Sender mit 20 Millionen im Jahr für Sendungen im öffentlichen Interesse (im weiteren Sinne), der Fernsehfonds fördert die Produktion von Serien, Filmen und Dokus in Österreich mit 13,5 Millionen pro Jahr, dazu kommen regionale Produktionsförderungen. Nicht kommerzielle Sender wie Community TV und Freie Radios bekommen 3 Millionen vom Bund und rund 1,4 Millionen von der Stadt Wien.
    Deutlich mehr zum Thema gibt es unter den Lexikonstichwörtern Fernsehen und Streaming.

Das Letzte: Updates zum Ein-/Ausklappen

Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz stirbt am 22. Oktober 2022 mit 78. Mit seinem Tod geht das Sagen im Konzern an die Mehrheitsgesellschafter, die thailändische Familie Yoovidhia über. Im Konzern tätig ist Mateschitz' Sohn Mark Dietrich Mateschitz (Mark Gerharter, nahm später den Familiennamen seines Vaters an). Was passiert nach dem Tod des Konzernbosses mit dem von Mateschitz aufgebauten und teils zusammengekauftem Medienimperium? Marken wie das Streamingportal redbull.com und "Red Bulletin" dienen den Konzernmarken. Servus TV und Pragmaticus standen mehr im Interesse des milliardenschweren Konzernbosses Dietrich Mateschitz. Kolportiert wird eine Stiftungslösung für die weitere Finanzierung. Wenn Servus TV vor allem mit den in den Jahren vor Mateschitz' Tod zusammengekauften Premiumsportrechten hohe zweistellige oder gar dreistellige Millionenbeträge pro Jahr kostet, müssten diese Stiftungen sehr hoch dotiert sein.
  • Am 4. November 2022 teilt Sohn und Erbe Mark Mateschitz den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit, dass ihm nun die Holding gehört, in der die Red-Bull-Anteile seines Vaters gebündelt sind. Den Konzern führe nun ein Board – Franz Watzlawick (CEO Beverage Business), Alexander Kirchmayr (CFO) und Oliver Mintzlaff (CEO Corporate Projects und Investments) – in der Tradition des Vaters weiter, darüber habe er sich mit den thailändischen Mehrheitseigentümern verständigt. Mintzlaff ist im Vorstand zuständig für (den Großteil der) Medienaktivitäten des Konzerns, etwa für Servus TV, Media Operations, Publishing.
Am 16. Dezember 2020 informiert die Arbeitsgemeinschaft Teletest (AGTT), dass die gleichnamige TV-Quotenmessung seit 2015 fehlerhafte Daten lieferte. Wegen eines Programmierfehlers bei neuen Teletest-Messgeräten seien ab 2015 Nutzungszeiten gleichzeitig fernsehehnder Menschen in einem Haushalt mit solchen neuen Geräten falsch zugeordnet worden - und zu hohe Reichweiten ausgewiesen. Je mehr neue Geräte in den Teletest-Haushalten zum Einsatz kamen, desto größer die Abweichung. Bis 2017 waren sie "vernachlässigbar", erklärte die AGTT. Im Schnitt lagen die Abweichungen aber auch 2020 noch "unter fünf Prozent". Die Quoten des Jahres 2020 wurden von der GfK nachträglich korrigiert, für die Jahre davor fehlten dafür die Rohdaten. Die korrigierten TV-Marktdaten für das Gesamtjahr 2020 finden Sie unter TV-MARKTANTEILE 2020.
15,77 Millionen neue bezahlte Abos meldet Netflix für die ersten drei, von der Corona-Pandemie geprägten Monaten des Jahres 2020 – soviele neue Kunden hat der globale Streaming-Marktführer noch nie in einem Quartal gewonnen. Gesamtstand nun: 182,86 Millionen weltweit. Weil Produktionen virusbedingt vorerst gestoppt sind, sinken die Verbindlichkeiten in dem Quartal leicht auf 19,2 Milliarden Dollar. Das Ergebnis vor Steuern, Abschreibungen und Zinsen verdoppelt sich beinahe auf fast 1,1 Milliarden.
679.000 Menschen verfolgen am 17. November 2019 das Finale des ATP-Turniers in London zwischen Dominic Thiem und Stephanos Tsitsipas auf Servus TV. 695.000 wurden es noch mit den Nachschauern in den sieben Tagen nach der Ausstrahlung, die noch in die Teletest-Sendungswerte eingerechnet werden. Im ORF erzählt man sich (und den eigenen Aufsichtsräten und mir), das Finale des Red-Bull-Stars Thiem im Free TV habe Servus TV einen siebenstelligen Betrag gekostet, die Rede ist von 1,2 Millionen Euro. Red Bull und seine Medien kommentieren Geschäftszahlen nicht, und auch dazu schweigt man auf Anfrage.
Kaum hat Apple TV+ seine Streamingplattform eher holprig gestartet, setzt der weltgrößte Unterhaltungskonzern Disney sein Disney+ in den Markt – mit seinem gewaltigen Markenrepertoire von Star Wars bis Pixar und Marvel, etwa mit der Star-Wars-Serie The Mandalorian, spürbaren technischen Schwierigkeiten und doch 10 Millionen Anmeldungen in 24 Stunden. Die erste Woche ist kostenlos, danach kostet der Zugang 6,99 Dollar/Euro pro Monat. Disney+ beginnt in den USA, Kanada und den Niederlanden. Am 31. März 2020 kommt die Plattform nach Deutschland (und wohl auch Österreich), Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien. Disney-Boss Robert Iger erklärte öffentlich 60 bis 90 Millionen Abonnenten Ende 2024 zum Ziel. Netflix hat 2019 an die 160 Millionen weltweit.
Apple startet am 1. November 2019 seinen Streamingdiensts Apple TV + mit eigenproduzierten Serien wie The Morning Show mit Jennifer Aniston und Reese Witherspoon, For All Mankind, See und Dickinson für nur 4,99 pro Monat, die erste Testwoche ist gratis. Die Kritiken der Serien wie der Plattform und des Handlings fallen überwiegend eher schroff aus. Programmchef Kim Rozenfeld, seit 2017 bei Apple, gibt zwei Wochen nach dem Start auf.
Die Deutschen zwischen 14 und 29 Jahren nutzen Videoportale häufiger und länger als Fernsehen (einschließlich zeitversetzte Nutzung): Die ARD/ZDF-Studie Massenkommunikation 2019, veröffentlicht im September 2019, deckt sich grob mit den Ergebnissen der österreichischen Bewegtbildstudie von RTR und TV-Veranstaltern vom Frühjahr 2019 mit 4000 Befragten. In Deutschland geben – bei insgesamt 2000 Befragten – 51 Prozent der unter 30jährigen an, sie haben am Vortag Filme oder Videos über das Internet gesehen, 47 Prozent nutzten TV-Angebote (auch zeitversetzt). In Österreich liegt bei Onlinevideoportalen Youtube deutlich vorne. In Deutschland haben 36 Prozent der Menschen zwischen 14 und 29 am Vortag Streamingplattformen wie Amazon Prime und Netflix genutzt und 22 Prozent Youtube und andere Videoportale. Von 151 Minuten, die junge Menschen unter 30 am Vortag für Video nutzten, gingen 68 ans klassische Fernsehen (inklusive zeitversetzte Nutzung), 81 an Film/Video online. 51 Minuten davon widmeten sie Streamingdiensten wie Netflix, 27 Videoportalen wie Youtube, 3 Prozent Newsportalen und Facebook.
Das Pew Research Center hat die Beschäftigtenzahlen in US-Reaktionen über zehn Jahre laut offiziellen Statistiken analysiert und kommt zum Schluss: Von 2008 bis 2018 sank die Zahl insgesamt um ein Viertel, in Zeitungsredaktionen gleich um 47 Prozent. Die (wie ich finde) recht eindrucksvolle Pew-Grafik:
Am 22. September 2018 wird die Übernahme des Pay-TV-Konzerns Sky durch den US-Konzern Comcast, dem unter anderem NBC Universal gehört, offiziell. Mit 39 Milliarden Dollar überbietet Brian L. Roberts, der den Konzern mit 33 Prozent der Stimmrechte (bei 1 Prozent Anteil) kontrolliert, den bisherigen Sky-Marshal Rupert Murdoch. Murdochs Entertainmentkonzern 21st Century Fox kontrollierte 39 Prozent seiner Erfindung Sky, die Murdochs versuchten seit Jahren, Sky komplett zu übernehmen. Roberts kam ihnen dazwischen. Bald darauf verkaufen die Murdochs große Teile von 21st an Disney.
Bis Februar 2017 versucht die Krone, ATV zu kaufen - unterstützt von RTL und assistiert von Mediaprint-Berater Richard Grasl. Österreich kam der Krone in Sachen TV-Kanal mit Ö24TV (ab September 2016) zuvor, zum Ärgernis der Dichands. Doch ATV-Eigentümer Herbert Kloiber will nur an ProSiebenSat1Puls4 verkaufen.

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