• 933,5 Millionen Euro zahlen die Österreicherinnen und Österreicher (Stand 2021) unter dem Generaltitel Rundfunkgebühren beziehungsweise GIS an die gleichnamige ORF-Tochterfirma.
  • 645 Millionen Euro (2020) davon, das sogenannte Programmentgelt, gehen an den ORF. 2022 sollen es laut Finanzplan 664 Millionen Euro werden - dank Gebührenerhöhung um acht Prozent ab Februar 2022.
  • Alexander Wrabetz beantragte auf seinen letzten Metern als ORF-Chef 8 Prozent mehr ab März 2021 - die Erhöhung kommt schließlich doch schon ab Februar 2022. Das kann in einem vollen Jahr mit Erhöhung rund 52 Millionen Euro mehr auf fast 700 Millionen Euro GIS für den ORF bedeuten. 56 Millionen Jahresumsatz macht etwa der Standard.
  • Herbst 2021 war der letztmögliche Termin nach dem jüngsten Antrag vom Herbst 2016. Damals beantragte Alexander Wrabetz als ORF-Generaldirektor 7,7 Prozent Anpassung mit 1. Mai 2017. Auf Druck aus dem damals SPÖ-geführten Kanzleramt und von Koalitionspartner ÖVP wurden daraus 6,5 Prozent mit 1. April 2017.
  • Die 8 Prozent mehr ab 2022 zählen zu den mittelgroßen Gebührenerhöhungen in der ORF-Geschichte. Die Gebühren für TV beziehungsweise die inzwischen übliche Kombigebühr wurden auch schon um gut 65 Prozent erhöht, um gut 21 Prozent, später über vier aufeinanderfolgende Jahre um jeweils 3,9 bis 9,3 Prozent, 1994 um 16,5 Prozent.
  • Die Erhöhung ab Februar 2022 müsste dem ORF nach meinen - sehr groben - Berechnungen gegenüber 2021 47,4 Millionen zusätzlich bringen, insgesamt müssten es 2022 also 694 Millionen werden bei gleichbleibender Zahl von Gebührenhaushalten.Allerdings verzeichnet die ORF-Gebührentochter GIS ab Jänner 2022 massiv mehr Abmeldungen mit Verweis auf die Streaminglücke.
  • Doch am 30. Juni 2022 setzt der Verfassungsgerichshof dieser Streaminglücke ein Ablaufdatum. Eine wesentliche Nutzungsmöglichkeit wie eben Streaming von der Gebührenpflicht auszunehmen, sei verfassungwidrig. Bis Ende 2023 muss der Gesetzgeber die ORF-Finanzierung auf alle Empfangsmöglichkeiten erweitern – oder die bisherigen Einschränkungen auf Rundfunknutzung in Gebäuden entfallen ersatzlos samt Befreiungsregelungen. Links dazu in den Updates zu diesem Lexikonstichwort. Der ORF beschwerte sich noch unter Alexander Wrabetz beim Höchstgericht über die bisherige GIS-Regelung.
  • Der Rest der GIS abseits des Programmentgelts für den ORF, rund ein Drittel der Gesamteinnahmen, geht an Bund und Länder. Der Bund hebt – als Rundfunkgebühr, Kunstförderungsbeitrag, Mehrwertsteuer – insgesamt rund 140 Millionen Euro ein. Sieben von neun Bundesländern verlangen Landesabgaben und verwenden ihre insgesamt fast 150 Millionen unterschiedlich etwa für regionale Medien- und Filmförderungen und auch für Musikschulen (Kärnten) oder Altstadterhaltung (Wien). Oberösterreich und Vorarlberg verzichten auf Landesabgaben auf die GIS-Gebühren, in diesen beiden Ländern ist die GIS damit am günstigsten. Am teuersten ist sie in Steiermark, Burgenland, Wien und Niederösterreich.
  • Wieviel GIS man wo für wen zu zahlen hat, findet man übersichtlich und aktuell auf der Seite der ORF-Gebührentochter GIS.
  • Der ORF darf das Programmentgelt nur verwenden, um den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen – doch dieser Gesetzesauftrag reicht sehr weit.
  • Ob der ORF genügend Gebühren für seinen Auftrag bekommt, zuviel oder zuwenig, überwacht die Medienbehörde KommAustria. Spätestens alle 5 Jahre müssen der ORF und sie die Höhe der Gebühren überprüfen. Der ORF-Generaldirektor beantragt die Anpassung, der Stiftungsrat des ORF entscheidet darüber mit einfacher Mehrheit, die KommAustria prüft die Berechnung. Spätestens im Herbst 2026 ist also mit einem Gebührenantrag zu rechnen - wenn diese Regelung nicht mit einer Novelle zur GIS-Pflicht geändert wird.
  • GIS muss bis zu einer Neuregelung bezahlen, wer ein empfangsbereites, stationäres Rundfunkempfangsgerät "in Gebäuden" betreibt, und das in einer Gegend, die mit ORF-Programmen terrestrisch versorgt wird, unabhängig von der tatsächlichen Nutzung von ORF-Programmen. Für Zweitwohnsitze fallen ebenfalls GIS-Gebühren an, es gibt aber eine Sonderregelung nach der Nutzung dieses Zweitwohnsitzes, zumindest für vier Monate pro Jahr ist GIS zu bezahlen. Bis Ende 2023 ist keine GIS fällig, wenn man ORF-Programme allein internetbasiert nutzt - das hat 2015 der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, gültig bis zur Aufhebung der Verfassungsrichter mit Ende 2023.
  • Die "Streaminglücke" zu schließen wünscht sich der ORF schon seit 2015 sehnlich – in wieder und wieder hervorgehobenen Wunschzetteln an die Medienpolitik für Gesetzesänderungen. Denn der ORF arbeitet lange schon an einer großen Streamingplattform (Arbeitstitel ORF-Player, geplanter Titel ORF On), und da schmerzt die Gebührenfreiheit für Streaming gleich noch mehr.
  • Die türkis-blaue Regierung von ÖVP und FPÖ (2017 bis 2019) zeigte sich entschlossen, die GIS-Gebühren abzuschaffen und den ORF aus dem Staatsbudget zu finanzieren. Vor allem die FPÖ unter Heinz-Christian Strache drängte vehement auf diese Wahlzuckerl mit einigem Sympathiepotenzial. Aber auch der damalige Medienminister im Kanzeramt, Gernot Blümel (ÖVP), ließ zumindest argumentativ Verständnis für eine Budgetfinanzierung durchklingen. Bis sich Landeshauptleute – insbesondere auch der ÖVP – vom ORF alarmiert hinter die GIS und damit ihre Landesabgaben darauf stellten.
  • Das recht jähe Ende der türkis-blauen Koalition mit der Veröffentlichung des Ibiza-Videos von Strache und seinen Träumen einer Medienpolitik in der Manier von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán beendete in der Regierungspolitik fürs erste auch die vor allem FPÖ-getriebene GIS-Abschaffung.
  • Im Europavergleich der Gebühren liegt die GIS im Spitzenfeld. Pro Jahr und nach Kaufkraft gewichtet zahlten 2019 nur die Menschen in der Schweiz und Norwegen höhere Beiträge für Rundfunk. Allerdings reiht die Europäische Rundfunkunion EBU hier nach dem Gesamtaufwand - und der enthält in Österreich einen selten hohen Gebührenanteil von rund 30 Prozent, der an Bund und Länder geht und nicht den ORF. Aber auch nach Abzug der öffentlichen Anteile liegt Österreich eben nicht mehr vor, sondern gleichauf mit Deutschland.
  • Wie sich das Gesamtvolumen der GIS für die Zahler entwickelt, lässt sich bei einer Gebührenerhöhung nur sehr schwer hochrechnen. Einzelne Abgaben des Bundes auf die Programmentgelte stehen in absoluten Zahlen im Rundfunkgebührengesetz, können aber natürlich mit Gesetzesbeschluss nach einer Erhöhung ebenfalls erhöht werden. Die meisten Länder (Wien, Niederösterreich, Burgenland, Steiermark Tirol) heben auf das GIS-Gebührenaufkommen Prozentsätze ein, ihre Einnahmen steigen automatisch mit der Erhöhung der Programmengelte. Salzburg und Kärnten erheben Fixbeträge pro Gebührenhaushalt, sie könnten diese aber auch nach der Gebührenerhöhung ebenfalls erhöhen.

 

In diesem Lexikonstichwort finden Sie

  • Timelines und Daten über alle GIS-Gebührenerhöhungen (und eine Senkung) seit 1945 und einige Charts mehr über die GIS: Warum wurden die Rundfunkgebühren schon einmal reduziert – und nie wieder? Warum zog sich die längste Gebührenerhöhung über Jahre? Wie lang musste der ORF ohne Anpassung auskommen? Die tollsten Gebührenerhöhungen (um bis zu 221 Prozent) aller Zeiten – und anderes, nicht nur nützliches Wissen.
  • Haushaltsabgabe, Politik und Boulevard - wie die Nachbarn die Streamingfrage lösen.

Wieviel GIS-Gebühr pro Monat in jedem Bundesland ab 1. Februar 2022 anfällt, steht auf gis.at.

Das Letzte: Updates zum Ein-/Ausklappen

Am 30. Juni 2022 setzt der Verfassungsgerichtshof der "Streaminglücke" ein Ablaufdatum: GIS-freie Streamingnutzung wie bisher sei verfassungswidrig. Das Höchstgericht hebt mit Wirkung vom 31. Dezember 2023 die Bestimmungen darüber im ORF-Gesetz und im Rundfunkgebührengesetz auf, die GIS-Pflicht alleine an die Möglichkeit der Rundfunknutzung knüpfen. 2015 hat der Verwaltungsgerichtshof deshalb festgestellt, dass der ORF für alleinige Streamingnutzung keine Programmentgelte einheben darf. Der Gesetzgeber bekommt eine Frist bis Ende 2023, eine neue Regelung zu finden. Sonst ist jede Nutzungsmöglichkeit von ORF-Inhalten gebührenpflichtig. Der Verfassungsgerichtshof hält erstmals fest, dass das Bundesverfassungsgesetz Rundfunk aus 1974 eine "Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich" bedeutet. Das Höchstgericht sieht eine "für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk konstitutive staatlich garantierte Finanzierung zur Wahrnehmung seiner besonderen demokratischen und kulturellen Aufgabe". Entscheidung des Höchstgerichts im Original (PDF-Link Verfassungsgerichtshof) und Presseinfo des VfGH zur Entscheidung, veröffentlicht am 18. Juli 2022.
Am 29. September 2021 beschließt die Regierung von ÖVP und Grünen in einem Ministerratsvortrag des für Medien zuständigen Bundeskanzlers Sebastian Kurz, dass das Bundeskanzleramt bis Jahresende einen Entwurf (oder eine Punktation) für eine Novelle zum ORF-Gesetz vorlegen soll. Das hat sich die Regierung eigentlich schon mit dem Regierungsübereinkommen von Anfang 2020 vorgenommen, der Ministerratsvortrag wird nicht wesentlich konkreter. Es geht  vor allem um mehr Möglichkeiten für den ORF im Web – mit Blick auf die geplante Streamingplattform ORF-Player. Der ORF will Formate eigens oder zuerst fürs Netz produzieren können (bisher darf er nur im Web zeigen, was im Rundfunk schon lief). Und er soll die Programme im Web länger als sieben Tage anbieten können. Eine unabhängige, nachhaltige Finanzierung (GIS) auch für den digitalen Transformationsprozess steht auch in Kurz' Ministerratsvortrag, geknüpft an "strukturelle Vorgaben". Die Presse interpretiert das im September 2021 als Gebühren auch für Streaming (Schließen der "Streaminglücke"). Tatsächlich vom ORF angekündigt ist eine Anmeldeschranke mit GIS-Nummer für einen Teil der Player-Inhalte. Den Ministerratsvortrag des Kanzlers zur geplanten ORF-Novelle finden Sie hier im Wortlaut.
In der Koalition mit der ÖVP kam Heinz-Christian Straches Ibiza-Video der versprochenen Abschaffung der GIS-Gebühren zuvor. Auf das emotionsgeladene Thema wollen die Freiheitlichen naturgemäß auch unter Norbert Hofer nicht verzichten. Am 24. Februar 2020 starten sie eine "Infokampagne", wie sich die Rundfunkgebühren vermeiden lassen, und eine Onlinepetition unter www.wegmitgis.at zur Abschaffung, ein späteres Volksbegehren sei "möglich". Bei der Gelegenheit entdeckten die Freiheitlichen: Die URL www.weg-mit-der-gis.at hat sich schon 2016 hat sich die ÖVP Neusiedl schon 2016 gesichert. Für den ORF wollen sie ein Abomodell, wie es der britische Brexit-Premier Boris Johnson gerade für die BBC in Aussicht stellt, dazu Förderungen für Inhalte von öffentlichem Interesse auf allen Sendern. Bisher erhält der ORF rund 640 Millionen Euro aus Programmentgelten, die Privatsenderförderung beträgt seit 2019 20 Millionen Euro. Die Kampagne entschlummert im März vorerst ob Coronavirus und krisenbedingt gewaltigem Zuschauerinteresse für insbesondere die Infosendungen im ORF.
Heinz-Christian Strache tritt am 18. Mai 2019 als Vizekanzler und FPÖ-Chef zurück und Kanzler Sebastian Kurz beendet die Koalition einen Tag nach Bekanntwerden des 2017 heimlich aufgenommenen Videos, in dem die FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte Staatsaufträge für die Übernahme und FP-freundliche Ausrichtung der Krone in Aussicht stellen, und am besten dazu einen ORF-Sender. Die türkis-blaue Regierung zerbröselt. – Alexander Wrabetz bleibt also noch länger ORF-Generaldirektor. Mit der ÖVP-FPÖ-Regierung fällt auch der Plan für ein neues ORF-Gesetz noch 2019.
Für die Abschaffung der GIS und ein Ende des Politeinflusses im ORF stimmen insgesamt 320.239. Das Volksbegehren betrieb die Christliche Partei Österreichs (CPÖ); das Ergebnis könnte – jedenfalls bei den Gebühren – ÖVP-FPÖ-Plänen für den ORF in die Hände spielen. Die Krone unterstützte das Anti-GIS-Volksbegehren massiv. Parallel erhielt das Anti-Rauch-Volksbegehren 881.569 Unterschriften und jenes für weitere Gleichstellung von Frauen 481.906. Das GIS-Begehren liegt damit (Stand Oktober 2018) auf Platz 21 der stimmenstärksten Volksbegehren in Österreich. Mehr unter Rundfunk-Volksbegehren.
Die Nobillag-Volksabstimmung über die Abschaffung der Rundfunkgebühren (Haushaltsabgabe) scheitert am 4. März 2018 in der Schweiz - für die Gebührengegner und Initiatoren des Plebiszits: 71,6 Prozent der Abstimmenden - das sind wiederum 54,1 Prozent der Stimmberechtigten - lehnten die Abschaffung ab. Die SRG verspricht zu sparen und Reformen – etwa mehr Geld für Information und Schweizer Programm.
Die ZiB erwähnte Verkehrsminister Norbert Hofer nicht in ihrem Bericht zu einem Münchner Transitgipfel. Hofer nimmt das zum Anlass, seine Ablehnung der GIS kundzutun. FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache erklärt ihre Abschaffung gleich zum "großen Ziel" seiner Regierungstätigkeit.

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