Heute (Tageszeitung)
Die wundersame Heute-Story: Krone-Boss Hans Dichand darf keine Gratiszeitung gründen, sagen seine Mitgesellschafter. Also gründet der Pressesprecher eines Wiener SPÖ-Politikers und Dichand-Intimus 2004 eine, die einer von Sozialdemokraten geführten gehört. Sie besetzt den Gratismarkt vor dem Start von Österreich und sichert so die Krone. Dichands Schwiegertochter offenbart erst 2012, dass sie schon seit 2005 über eine zweite Stiftung die Mehrheit an dem Gratisblatt kontrolliert, das in Wien längst die Krone überholt hat. Bis 2016 verkauft Herausgeberin Eva Dichand Anteile bis auf rund 24,5 Prozent. Die Zeitungsmehrheit geht an die Sozialdemokraten-Stiftung, die Mehrheit am flugs aus Stiftungsbesitz ausgelagertem Onlineportal an den Schweizer Tamedia-Konzern.
Das Wichtigste
- Mit 31. März 2004 stellen die mit Hans Dichand zerstrittenen Mediaprint-Mitgesellschafter Funke-Gruppe und Raiffeisen die Mediaprint-Gratistageszeitung U‑Express nach drei Jahren ein. Gegen den Willen Dichands, dessen Herzensprojekt die Gratiszeitung war. Dichand ersucht die Funke-Gruppe in einem Brief um Erlaubnis, selbst eine Gratiszeitung herauszugeben – die Krone-Mitgesellschafter lehnen ab.
- Nur Wochen danach beginnt der bisherige Pressesprecher des Wiener Wohnbaustadtrats Werner Faymann (SPÖ), der mit Hans Dichand ein sehr enges freundschaftliches Verhältnis pflegt, eine neue Gratistageszeitung vorzubereiten. Mit der Mannschaft des U‑Express, etwa dem von der Krone verliehenen Chefredakteur Richard Schmitt, mit dem Exklusivvertrag des U‑Express, in Stationen der Wiener Linien Entnahmeboxen aufzustellen, und mit dem sichtlichen Wohlgefallen Hans Dichands. Der bisherige Pressesprecher, Neo-Verleger und Neo-Zeitungsgeschäftsführer: Wolfgang Jansky.
- Am 6. September 2004 startet Heute. Mit kräftigem Inseraten-Rückenwind aus Faymanns Ressort, zeigt die Rechercheplattform Dossier später.
- Ein Jahr nach dem Start wird Eva Dichand, die Schwiegertochter von Hans Dichand und Frau von Krone-Chefredakteur Christoph Dichand, Geschäftsführerin von Heute, ab 31. Mai 2006 auch Herausgeberin.
- Die Eigentumsverhältnisse des Gratiszeitungsverlags bleiben bis 2012 ungeklärt – Stiftungen spielen da eine Rolle, in einer davon hatte Faymanns Büroleiter Josef Ostermayer schon kurz eine Funktion, ein Kredit der lange Gemeinde-Wien-nahen Bank Austria, ein Wirtschaftstreuhänder (Günther Havranek), der auch die SPÖ bei ihren Parteifinanzen unterstützt.
- Spätestens ab 2010 ist Heute in Wien reichweitenstärkste Tageszeitung und ab 2011 zweitgrößte Zeitung Österreichs.
- 2012 tritt das Medientransparenzgesetz in Kraft mit neuen Transparenzregeln für Medieneigentum im Mediengesetz. Dichand und Jansky legen offen: Die Pluto Privatstiftung, eingerichtet von Eva Dichand und ihrem Bruder mit Eva Dichand und ihren Kindern aus der Ehe mit Christoph Dichand als Begünstigten, besitzt schon seit 2005 74 Prozent am Heute-Verlag AHVV beziehungsweise seiner Muttergesellschaft Ultimate Media GmbH. Die übrigen Anteile hält die Periodika Privatstiftung. Vorstandsvorsitzender dort: Wolfgang Jansky, im Vorstand zudem Treuhänder Havranek und weitere Mitglieder aus dem Heute/SPÖ-Umfeld (Katja Deutsch und Periodika-Stifter Heinrich Gehl).
- Eva Dichand gab in mehreren Schritten Heute-Anteile ab: Ende 2014 reduziert sie ihren Anteil von 74 auf 51 Prozent, die von Jansky geführte Periodika Privatstiftung stockte auf. Am 6. Juli 2016 gibt Heute bekannt, dass der Schweizer Medienkonzern Tamedia (20 Minuten, Tages-Anzeiger) bei Heute und Heute.at einsteigt. Nur 5 Tage davor, am 1. Juli 2016, verkauft die Ultimate Media, geführt von Eva Dichand und Wolfgang Jansky, Heute.at an Eva Dichands und Wolfgang Janskys Firma DJ Digitale Medien GmbH, der Kaufpreis ist im hinterlegten Kaufvertrag leider unkenntnlich gemacht. Unmittelbar darauf verkaufen Dichand und Jansky 51 Prozent an der DJ der Schweizer Tamedia und behalten jeweils 24,5 Prozent. Die Tamedia übernimmt parallel zudem 25,5 Prozent an Heute. Eva Dichand reduziert ihren Anteil hier von 49 auf 24,4 Prozent, die Peridodika Privatstiftung stockt auf 50,1 Prozent auf.
Das Letzte: Updates zum Ein-/Ausklappen
- 1. Mai 2021
„Heute“ und „Heute.at“ treten dem Presserat bei - Heute und Heute.at treten mit 1. Mai 2021 dem österreichischen Presserat bei. Sie anerkennen damit den Ehrenkodex für die österreichische Presse und verpflichten sich, Entscheidungen des Presserats über die eigene Berichterstattung zu veröffentlichen. In der Statistik der vom Presserat festgestellten Verstöße 2020 liegt Heute mit 3 weit hinter Österreich/Oe24 mit 17 und der Krone mit 11. Die Krone beteiligt sich bisher nicht am Presserat, eines ihrer Redaktionsmitglieder entscheidet aber, entsandt von der Journalistengewerkschaft, in einem der drei Senate mit.
- 29. Januar 2021
„Heute“-Macher Dichand und Jansky verkaufen netdoktor.at an Burda - Die deutsche Mediengruppe Hubert Burda übernimmt mit 1. Februar 2021 die Marke netdoktor.at (und damit das bisher österreichische Gesundheitsportal) von den Heute-Machern Eva Dichand und Wolfgang Jansky zu einem ungenannten Kaufpreis. Dichand und ihre Pluto Privatstiftung halten laut Firmenbuch gemeinsam 64 Prozent an der Netdoktor.at GmbH, Jansky und die von ihm geführte Periodika Privatstiftung (die 50,1 Prozent am Heute-Zeitungsverlag hält) besitzen die übrigen 36 Prozent. 2016 haben Dichand und Jansky von Periodika und Pluto Privatstiftung die Onlineplattform Heute.at persönlich übernommen und kurz darauf der Schweizer TX Group (damals Tamedia) 51 Prozent sowie 25,1 Prozent an der Zeitung Heute verkauft.
- 3. November 2020
Boulevard und Terror: Nach Anschlagsvideos stoppen Werbekunden vorläufig Buchungen bei „Oe24“ und „krone.at“ -
-
- Oe24TV zeigt wie Krone.at und Krone-TV am Abend des 2. November 2020 Videos vom Terroranschlag in der Wiener Innenstadt. Videos zeigen den Attentäter beim Erschießen eines Passanten. Der TV-Sender der Fellner-Mediengruppe ist als Autostart-Livestream üblicherweise auch auf Oe24.at zu sehen, an diesem Abend aber laut Wolfgang Fellner wegen eines Serverproblems nicht.
- Beim Österreichischen Presserat langen noch am selben Abend 300 Beschwerden über die Veröffentlichung ein, soviele wie noch nie. Es werden in den nächsten Tagen noch fast 1500 Beschwerden.
- Die Medienbehörde KommAustria leitet nach Ermittlungen im Dezember 2020 formelle Verfahren gegen drei Programmveranstalter/Mediendiensteanbieter ein. Gegenstand der Verfahren sind laut KommAustria "mögliche Verletzungen der Menschenwürde, der journalistischen Sorgfalt und von Programmgrundsätzen".
- Eine Reihe großer Werbekunden erklären – teils auf Anfragen von Aktivisten – einen vorläufigen Werbestopp auf diesen Portalen wegen der Veröffentlichungen. Die Rewe-Gruppe (Billa, Merkur, Bipa) bestätigt mir den Stopp der Buchungen ebenso etwa wie die Spar-Gruppe, Hofer, Bawag, Mobilfunker Spusu.
- Am Morgen des 3. November erklärt mir Wolfgang Fellner noch, man habe die Videos nach Protesten seit 23 Uhr am Montagabend nicht mehr gezeigt, aber: "Das ist ein Terroranschlag. Ich glaube schon, dass es zum Verständnis des Terroranschlags dazugehört, wie der Todesschütze agiert hat." Am Dienstagabend entschuldigt sich Niki Fellner – nach einer Serie von Werbestopp-Ankündigungen auf Twitter und Appellen etwa von GGK-Mullenlowe-Boss Michael Kapfer auf Facebook – "ausdrücklich" auf Oe24TV und schreibt mit seinem Vater Werbekunden: Das Video aus einer Überwachungskamera der Israelitischen Kultusgemeinde, übernommen vom israelischen Fernsehen, sei nach seinem Wissen in rund 70 Sendern weltweit gezeigt worden. Es sei zudem nie auf Oe24.at, sondern alleine auf Oe24TV gelaufen; er räumt auf Nachfrage aber ein, dass das Programm üblicherweise als Livestream auf Oe24.at gezeigt wird - im Autoplay-Modus. Montagabend allerdings waren die Server von Oe24 aber (auch von außen) sichtlich überlastet. Laut Fellner waren die Videos wegen eines Serverproblems nicht auf Oe24.at zu sehen.
- Konkurrent Heute setzt sichtlich auf Differenzierung: Die Gratiszeitung zeigt online keine Tatvideos, entschuldigt sich ausdrücklich für eine Fehlinformation über eine (kolportierte) Geiselnahme in der Mariahilfer Straße, zeigt auf der Titelseite am Tag danach eine Rose. Herausgeberin Eva Dichand bemüht sich auf Twitter um Abgrenzung zu Oe24, wiewohl nicht von krone.at. Und Heute schaltet in den Folgetagen massiv in Branchendiensten Werbung mit Verweis auf die eigene "Brand Safety" im Unterschied zur Konkurrenz.
Ziemlich heuchlerisch von ihnen! In ihrem Familienbusiness ist halt einfach eine andere Abteilung zuständig für die Geschmacklosigkeiten. pic.twitter.com/vLFvz2m6T5
— Sebastian Vogel (@APokeWithAStick) November 3, 2020 -
- 24. Juli 2020
Die neue Übersicht der größten Medienhäuser Österreichs 2020 - Meine neue Rangliste der größten Medienunternehmen Österreichs ist geschafft. Die bekannte Formel bleibt ziemlich unverändert - erst der ORF mit rund einer Milliarde und dann lange nichts. Weniger als halb so groß die Nummer zwei – je nach Betrachtung ist das der Krone-Kurier-Konzern Mediaprint oder, wenn man alle Beiträge des Mutterkonzerns Red Bull zum Red Bull Media House einrechnet, die Mediengruppe von Dietrich Mateschitz' Brausekonzern. Kleinere Überraschungen gab es dann doch noch beim Datensammeln: Die Gratiszeitung Heute habe ich bisher überschätzt: Erstmals hat sie im Jahresabschluss des Heute-Printverlags AHVV für 2018 auch Umsatzdaten veröffentlicht – 38,1 Millionen waren das. Ich schätzte bisher auf mehr als 50 Millionen. Ob nicht in der AHVV verbuchte Onlineumsätze die Differenz ausmachen, kann ich nicht tragfähig beurteilen. Überrascht hat mich auch Wolfgang Fellner, der den Umsatz der Mediengruppe Österreich für 2019 mit 123,58 Millionen Euro angibt, für 2018 hat er von 111,4 Millionen gesprochen. Wie der Umsatz zustandekommt und ob er (was ich mir schwer vorstellen kann bei mehr als 50 Einzelfirmen) als Konzernumsatz konsolidiert ist, wollte er mir auf Nachfrage nicht erklären. Sagen wir so: Ich hätte ihn unterschätzt, wenn das doch ein konsolidierter Konzernumsatz sein sollte. Die Rangliste im Überblick und dazu das Wichtigste zu den einzelnen Medienhäusern finden Sie unter dem Lexikonstichwort Medienkonzerne - Österreichs größte
- 1. Januar 2020
Clemens Oistric wird Chefredakteur von Heute.at - Clemens Oistric (* 13.Jänner 1992) wird mit 2020 Chefredakteur von Heute.at, kurz vor seinem 28. Geburtstag. Seit 2013 – damals ist er 21 – arbeitet er bei Heute. Oistric ist Chefreporter und Chronikchef, als er mit 1. Jänner 2020 Chefredakteur von Heute.at wird. Er übernimmt von Jaqueline Büchi, die nach 14 Monaten als Chefredakteurin von Heute.at wieder in die Schweiz zum Mutterkonzern Tamedia zurückkehrt.
- 6. Dezember 2019
Wolfgang Fellner zieht „Schneebrunzer“-Klage gegen Heute zurück - Die Gratiszeitung Heute berichtete am 21. August 2019 über das Buch der #Ibizagate-Aufdecker Frederik Obermaier und Bastian Obermayer (Süddeutsche Zeitung)mit einem angeblichen Zitat Heinz-Christian Straches, das angeblich aus dem unveröffentlichten Teil des Ibiza-Videos stammt, aber nicht im Buch vorkommt. Strache soll demnach dort gesagt haben, nach einer Übernahme der Kronen Zeitung wären nur noch "der Schneebrunzer von der Zeitung Österreich" und der ORF dann die "einzige Konkurrenz". Wolfgang Fellner klagt in einem medienrechtlichen Verfahren auf Entschädigung. Strache erscheint nicht als Zeuge zum ersten Verfahren, nach einer Ordnungsstrafe sagt er beim zweiten Termin aus, er habe das nach seiner Erinnerung nie gesagt. Vor dem dritten Termin am 9. Dezember zieht Fellner seine Klage Ende der Vorwoche zurück.
- 10. September 2019
Eva Dichand zu Falter-Bericht über Wahlkampf-Kalkulation der ÖVP - Heute-Herausgeberin Eva Dichand twittert über die Recherchen des Falter über kreative Verbuchung von Wahlkampfmitteln am 10. September 2019:
Beim Falter könnte man echt glauben, er ist eine eigene Partei und führt Wahlkampf ! 😐
— EvaDichand (@EvaDichand) September 10, 2019 - 9. Oktober 2018
Österreich gegen Wiener Linien: Jahrzehnt-Kartellverfahren über Gratiszeitungsboxen endet mit Vergleich - Fast ein Jahrzehnt prozessierte die Mediengruppe Österreich gegen die Wiener Verkehrsbetriebe und ihren Vertrag mit Konkurrent Heute über Stellplätze für Entnahmeboxen in den U-Bahnen. Anfang September einigte man sich auf einen Vergleich, im Oktober macht ihn die Wettbewerbsbehörde offiziell. Heute in den Stationen, Österreich davor mit zusammen gut 500 Boxen ist okay, künftige Diskriminierung wird ausgeschlossen. Krone und Heute spekulieren über millionenschwere Entschädigungs- oder Kompensationszahlungen an die Fellner-Gruppe, die dementiert die kolportierte Höhe von 5 Millionen Euro. Fellners und Dichands klagen nun einander wegen der Artikel und Konter darüber wieder einmal, Eva Dichand verlangt die komplete Offenlegung des Vergleichs. Die BWB-Zusammenfassung gibt's hier.