Medientransparenz
Österreichs Ministerien und Firmen in öffentlichem Besitz, Landesregierungen und ihre Unternehmen investieren pro Jahr dreistellige Millionenbeträge in Werbebuchungen in periodische Medien von Krone und Heute bis ORF, von Österreich bis Oe24, von NÖN über Kleine Zeitung bis Vorarlberger Nachrichten, in Standard und Presse oder auch in Wochenblick und unzensuriert.at, und mehr und mehr in Facebook und Google. Seit Mitte 2012 müssen öffentliche Stellen ihre Buchungen der Medienbehörde melden – mit einigen Ausnahmen und Umgehungsmöglichkeiten. Größter Spender Quartal für Quartal: die Stadt Wien und ihre Firmen.
Wohin gingen die großen Werbebuchungen öffentlicher Stellen 2020? Die große Übersicht nach Mediengruppen und Medien über das Pandemiejahr finden Sie unter dem Lexikonstichwort Medientransparenz 2020.
Das Letzte: Updates zum Ein-/Ausklappen
- 5. Oktober 2022
20 Millionen neue Journalismusförderung, „Wiener Zeitung“ ab 2023 nur noch monatlich, neue Regeln für Regierungswerbung - Ein Medienpaket mit drei Gesetzesentwürfen/Novellen passiert den Ministerat am 5. Oktober 2022 und geht in der Folge in die Begutachtung. Die Entwürfe, grob umrissen: Eine neue Journalismusförderung von 20 Millionen Euro jährlich wird die Medienbehörde KommAustria voraussichtlich ab 2023 an Print- und Onlinemedien (bezahlt und gratis) vergeben (wenn die EU-Kommission die Beihilfe genehmigt). 15 Millionen gehen in eine (gestaffelte) Pro-Kopf-Förderung für angestellte Journalistinnen und Journalisten und Auslandskorrespondenten, die bis zu 1,5 Millionen Euro pro Medium bringen soll. 10 Prozent Aufschlag gibt es für Qualitätskriterien wie Redaktionsstatut, Qualitätssicherungssystem, Fehlermanagent und Frauenförderprogramme. 2,5 Millionen gehen in eine Inhaltsförderung für regionale sowie internationale/EU-Berichterstattung. 1,5 Millionen gehen an Ausbildungsinstitutionen und Lehrredaktionen - mehr als bisher aus der Presseförderung - der Bereich "Qualitätsförderung" für Ausbildung, Korrespondenten, Leseförderung, Medienforschung, Presseclubs und Presserat wechselt in die neue Journalismusförderung. Die klassische Presseförderung beträgt damit statt bisher 8,9 nur noch 8 Millionen Euro. Neue Regeln für Regierungswerbung (Medientransaprenz). Ausnahmen werden gestrichen, öffentliche Stellen müssen auch Sujets zu ihren Buchungsvolumina der Medienbehörde melden. Öffentliche Stellen müssen Kampagnen ab 150.000 Euro auf ihrer Website erklären - Kommunikationsziele, Zielgruppen, Budgets, Medienauswahl. Ab 750.000 Euro Volumen müssen Wirkunganalysen (intern oder extern) erstellt und veröffentlicht werden. Wer überprüft, wie seriös diese Angaben sind? "Die breite Öffentlichkeit", sagt Medienministerin Susanne Raab (ÖVP). Wiener Zeitung nur noch online und monatlich gedruckt. Die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt im Besitz der Republik Österreich verliert 2023 ihre Haupteinnahmequelle - Pflichtveröffentlichungen von Unternehmen. Sie soll nur noch online und monatlich gedruckt publizieren. Dafür bekommt sie 7,5 Millionen Euro aus dem Staatsbudget. Weitere 6 Millionen aus dem Budget bekommt sie für Journalismusausbildung und Medienkompetenzvermittlung ("Mediahub"). Die Wiener Zeitung GmbH ist direkt dem Bundeskanzler unterstellt – eine seltsame Konstruktion für Journalismusausbildung. 3 Millionen bekommt sie für eine Veröffentlichungsplattform des Bundes (Raab: "digitales schwarzes Brett"). Geschäftsführer Martin Fleischhacker kündigt der Redaktion Personalabbau an. Bisher hatte die Wiener Zeitung GmbH ein Budget von rund 19 bis 20 Millionen Euro. Auch diese Beihilfen könnten die EU-Kommission interessieren.
- 9. Juni 2021
Ehemaliger „Krone“-Ressortleiter kritisiert „Sumpf aus systemischer Korruption“ zwischen Politik und Medien - Thomas Schrems, bis 2014 Ressortleiter Österreich bei der Kronen Zeitung, macht am 9. Juni auf Facebook und danach in einem Interview mit dem Falter seinem Ärger Luft über Sebastian Kurz, dessen Öffentlichkeitsarbeit und Umgang mit Medien: "Mit dem systematischen Einlullen und Gefälligmachen von Journalisten. Mit dem alten Spiel aus Geben und Nehmen (da eine exklusive Story, dort Publicity für den aufgehenden Politikstern). Diese Art von Verhaberung, deren Früchte heute ebenfalls unter der Message-Control durch euresgleichen firmieren." Im Falter erinnert Thomas Schrems aber auch an Werner Faymann (SPÖ), der bei der Krone ein und aus ging und wie Christoph Dichand kritische Berichterstattung über die stadteigene Wiener Wohnen mit Verweis auf Inseratenbudgets gestoppt habe. Schrems erklärt sehr grundsätzlich (in der von ihm autorisierten und ergänzten Printvariante des Interviews): "Das Zusammenspiel von Boulevard und Politik in Österreich ist ein subtil gewobenes Geflecht der wechselseitigen Begünstigung, ein Sumpf aus systemischer Korruption." Dichand erklärt mir auf Anfrage, er wolle mit dem "Blödsinn" nicht behelligt werden.
- 3. April 2020
Corona-Sonderförderung: 35 Millionen Euro für Medien – vor allem Krone, Heute, Oe24 und Privatsender - Der Nationalrat beschließt am 3. April eine Corona-Sonderförderung für Medien, die großteils gerade in Kurzarbeit gingen etwa wegen Werbeeinbrüchen in kolportiert zweistelliger Millionnehöhe im Umfang von rund 32 Millionen Euro. Der erste Entwurf wird auf Drängen der Grünen über Nacht geändert.
- 12 Millionen für Tageszeitungen und 2,7 für Wochenzeitungen Eine geplante Förderung von 4 Euro pro gedrucktem Exemplar (Wochenschnitt 2019) wird auf 3,25 Euro reduziert. Dafür wird die sogenannte Vertriebsförderung in der Presseförderung für tägliche und wöchentliche Kauftageszeitungen um das 1,5-Fache erhöht. Ergebnis: etwas weniger Geld für die Gratiszeitungen Heute (1,7 Millionen) und Oe24/Österreich (2 Millionen Euro Sonderförderung) und für die Kronen Zeitung (gut 2,7 statt zunächst geplanter 3 Millionen), etwas mehr für die anderen Tageszeitungen und auch eine Sonderförderung für Wochenzeitungen (rund 2,7 Millionen für mehr als 30 Titel). Die reguläre Bundes-Presseförderung beträgt 8,9 Millionen Euro jährlich.
- 15 Millionen Corona-Sonderförderung bekommen kommerzielle Privatsender. 2019 erhöhten ÖVP und FPÖ den Privatrundfunkfonds für sie von 15 auf 20 Millionen Euro jährlich. Die größten Förderungen gingen bei den jüngsten Antragsterminen an ProSiebenSat1Puls4 inklusive ATV und an Oe24TV der Mediengruppe Österreich.
- 2 Millionen Sonderförderung sollen nichtkommerzielle Privatsender wie Okto und Orange bekommen, sie erhalten regulär pro Jahr 3 Millionen Euro vom Bund.
- Aufgestockt im Juni: Im Juni 2020 kündigt Kanzler Kurz' Medienbeauftragter Gerald Fleischmann weitere 3 Millionen Euro Sonderförderung für regionale Wochen- und Monatsblätter (Kauf und gratis) an.
- 15. März 2020
Regierungskampagne zur Corona-Krise für kolportierte 15 Millionen Euro - Die Regierung reagiert ab 15. März 2020 mit einer gewaltigen Werbekampagne auf Werbeausfälle bei Österreichs Medienhäusern als Corona-Folge ("Schau auf dich, bleib zuhause"). Kolportiertes Volumen: 15 Millionen Euro. 2019 gab die Regierung insgesamt für Werbung rund 25 Millionen Euro aus. Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Zeitungsverbandes VÖZ spricht im Ö1-Mittagsjournal (28. März 2020) von Stornoraten im Bereich von 40 bis 50 Prozent und Ausfällen von rund 40 Millionen Euro bei Österreichs Zeitungen, Zeitschriften und Fachzeitschriften. Verleger rufen nach Sonderförderungen für Druck und Vertrieb und schicken ihre Medienunternehmen reihenweise ab April 2020 in Kurzarbeit.
- 7. Januar 2020
Koalition ÖVP/Grüne: Kanzler Kurz als Medienminister, Message Controller Fleischmann als Medienpolitik-Beauftragter - Am 7. Jänner 2020 wird die erste Regierungskoalition von ÖVP und Grünen unter Kanzler Sebastian Kurz mit Vize Werner Kogler angelobt. Ihr Regierungsprogramm verspricht
- im Gegensatz zu ÖVP/FPÖ Medienfreiheit und Unabhängigkeit zu als medienpolitische Leitprinzipien,
- einen "unabhängig finanzierten ORF", gesetzlich zur Zusammenarbeit mit Privaten verpflichtet und mit für die Öffentlichkeit zugänglichem Archiv,
- einklagbares Recht auf "Informationsfreiheit" statt Amtsgeheimnis und Amtsverschwiegenheit,
- die "Marke" Wiener Zeitung ohne Pflichtveröffentlichungen in Papierform,
- eine "Überprüfung" und Angleichung von Medienförderungen, einen Medienfonds und eine Startup-Initiative,
- Maßnahmen gegen Hass und Desinformation im Netz,
- höhere Strafen für Medien, die Identität und Privatsphäre von Opfern missachten