ORF-VERTRÄGE Viele Kollektivverträge (KV) und die legendäre Freie Betriebsvereinbarung FBV, Pauschalen, Sonderverträge
- Der ORF ist ein Kastensystem, eine Mehrklassengesellschaft. Im ORF gibt es, Stand 2022, Anstellungen nach sechs verschiedenen Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen - noch ohne die ORF-Tochterunternehmen mit häufig schlechteren, nicht ORF-spezifischen Kollektivverträgen.
- Wie kommt es zu diesem Sammelsurium an Dienstverhältnissen? ORF-Betriebsräten gelang es über Jahrzehnte, die Besitzstände der Angestellten zu schützen. Nur für neue Anstellungen galten die jeweils neuen, schlechteren Kollektivverträge; Menschen mit älteren, besseren Verträgen wurden nur bei KV-Erhöhungen mehrfach mit geringeren Prozentsätzen bedacht.
- Die legendäre Freie Betriebsvereinbarung (FBV) war im Grunde eine Lebensversicherung – praktisch unkündbar, wenn man nicht die sprichwörtlichen goldenen Löffel stiehlt.
- Am anderen Ende der sehr vielschichtigen Skala liegt 2022 die bisher letzte Stufe der Verschlankung in Gestalt des Kollektivvertrags von 2014, gültig für Anstellungen ab März 2015.
- 18-Ender und Pauschalverdacht Das – zumindest historisch – nicht wirklich karge System der ORF-Dienstklassen reicht klassisch bis zum sogenannten "18er". Es lässt sich durchaus nach oben erweitern, quasi wie im Lotto mit einer Zusatzzahl, häufig in Gestalt von Pauschalen. Beliebte Varianten: Mehrdienstpauschalen oder Pauschalen für unregelmäßige Dienste.
- Sonderverträge und Spesenkonten. Und wenn sich die Wertschätzung gegenüber Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen so gar nicht mit den ORF-Verwendungsgruppen und -Pauschalen in Einklang bringen lässt, lässt sich immer noch ein sogenannter Sondervertrag konstruieren. Oder ein besonders stolzes Spesenkontingent mit einer der Generaldirektion zugeordneten Kreditkarte.
Kastensystem Küniglberg
Der ORF ist dank Freier Betriebsvereinbarung (FBV) in zeitlich unterschiedlichen Ausstattungsversionen, verschiedenen Kollektivverträgen und der Massenanstellung von 2004 eine Vielklassengesellschaft – schon ganz ohne die Freien Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Varianten im Überblick:
- FBV alt
- FBV 1992
- Kollektivvertrag 1996 B (Konditionen wie FBV, nur als Kollektivvertrag definiert)
- Kollektivvertrag 1996 A
- Kollektivvertrag 2003 (mit diesem KV wurden auf Drängen des damaligen Betriebsratschefs Heinz Fiedler mehr als 1000 bisher freie Mitarbeiter des ORF angestellt)
- Kollektivvertrag 2014 (Anstellungen ab März 2015)
- ORF-Tochtergesellschaften etwa für Marketing und Kundendienst, aber auch die ORF-Onlinetochter stellen (auch Journalistinnen und Journalisten jedenfalls bis ins Jahr 2021) nach anderen, schlechteren Kollektivverträgen an, etwa jenem für Marktkommunikation (Werbung).
Auch 2021 gab es noch Angestellte nach der alten FBV, allerdings schon durch Pensionierungen merklich dezimiert.
Die legendäre FBV – Freie Betriebsvereinbarung
Die S‑Klasse unter den ORF-Dienstverhältnissen ist die sogenannte Freie Betriebsvereinbarung, 1961 geschlossen zwischen dem ORF, dessen Zentralbetriebsrat und der Gewerkschaft (damals Kunst, Medien, freie Berufe).
Der Rechnungshof beschrieb sie 1988 als „kumulierte Vorteile aus Staats- und Privatwirtschaft“ mit „einigen finanziell aufwendigen Sozialleistungen“, etwa erhöhtem Kündigungsschutz und Abfertigungen und „hohem, überdurchschnittlichem Gehaltsniveau im mittleren Bereich“. Eine etwas abgespeckte Variante dieser FBV handelte Gerd Bacher 1992 aus.
Die FBV gilt intern als „teure Lebensversicherung“. Warum teuer (für die nach der FBV Beschäftigten)? Jährliche Gehaltserhöhungen liegen für die nach FBV Angestellten ein Stück unter jenen des Kollektivvertrags. Dafür ist sie kaum kündbar. Freiwillige Wechsel in spätere Kollektivverträge sind aber möglich.
Kollektivverträge ab 1997
Seit 1. Jänner 1997 hat der ORF auch einen eigenen Kollektivvertrag (KV 1996), offiziell verhandelt nun mit der Gewerkschaft, für die freilich lange deren Christgewerkschafter und Funktionär Heinz Fiedler auftrat, zugleich langjähriger ORF-Betriebsratschef in Personalunion. Aber auch hier gab es Unterschiede: Diesen KV 1996 gab es in einer A‑Version (für neue Angestellte) und einer B‑Version, die den Bedingungen der vorangegangenen FBV entsprach, nur eben organisiert als Kollektivvertrag.
Ab 2004 galt ein neuer Kollektivvertrag im ORF, verhandelt von Alexander Wrabetz als kaufmännischer ORF-Direktor unter Generalin Monika Lindner, um die Anstellung von mehr als 1000 freien Mitarbeitern zu organisieren. Auf die Anstellung der Freien hatte Betriebsratschef Heinz Fiedler gedrängt. Sie macht den ORF, vorsichtig formuliert, nicht flexibler, und die Mitarbeiter wegen Einbußen auch alles andere als zufriedener. Lindner begründet die Maßnahme mit drohenden Klagen auf rückwirkende Anstellung, sobald freie Mitarbeiter abgebaut würden. Der neue Kollektivvertrag sei noch einmal – laut Wrabetz um zehn Prozent – günstiger für den ORF gestaltet. Offenbar noch nicht günstig genug: Kaum ORF-General (seit 1. Jänner 2007), wollte Wrabetz einen neuen Kollektivvertrag aushandeln.
Freie Mitarbeiter etwa der TV-Information wurden 2004 in Verwendungsgruppe 10 eingestellt, obwohl ihrem Redakteursjob nach ORF-Reglement Gruppe 13 zustünde. Das hebt nicht gerade die Laune des Personals – und gefährdet bei Dienst nach Vorschrift das System.
Just jene Menschen sind also zu vergleichsweise mickrigen Konditionen angestellt, die für das Hauptprodukt des ORF sorgen: Programm, mithin journalistisches. Am anderen, dem oberen, Ende des Kastensystems vom Küniglberg finden sich altgediente FBVler, angestellt mit allen Schikanen der Betriebsvereinbarung – das legendäre Zulagenwesen inklusive.
Die schönsten Zulagen der ORF-Geschichte
Hier kommen Beispiele für besonders schöne Zulagen aus der ORF-Geschichte, nicht mehr ganz aktuell – die Übersicht habe ich 2007 zusammengestellt. (Ich arbeite an einem aktuellen Stand, könnte noch dauern.)
Eine Lenkerzulage gab es schon für Menschen, die dienstlich ein Kraftfahrzeug steuern, eine Außendienstzulage, eine Höhenzulage, ein Wegegeld, eine Schmutzzulage, eine Zulage für unregelmäßigen Dienst, eine Wohnungszulage, eine unternehmenseigene Kinderund Familienzulage, eine Anschaffungsbeihilfe von vier Monatsgehältern für jedes Kind und viele mehr.
Die Zulagenlage hat sich für die Dienstnehmer seit den goldenen Zeiten verschlechtert, hört man stets vom Küniglberg, doch ihre Liste (die es laut ORFAuskunft gar nicht gibt) umfasste auch 2007 noch eineinhalb eng beschriebene A4-Seiten, jedenfalls für Langgediente. Zum Beispiel:
ORF-Zulagen im Überblick (historisch)
Hier kommen Beispiele für besonders schöne Zulagen aus der ORF-Geschichte, nicht mehr ganz aktuell – die Übersicht habe ich 2007 zusammengestellt. (Ich arbeite an einem aktuellen Stand, könnte noch dauern.)
Eine Lenkerzulage gab es schon für Menschen, die dienstlich ein Kraftfahrzeug steuern, eine Außendienstzulage, eine Höhenzulage, ein Wegegeld, eine Schmutzzulage, eine Zulage für unregelmäßigen Dienst, eine Wohnungszulage, eine unternehmenseigene Kinderund Familienzulage, eine Anschaffungsbeihilfe von vier Monatsgehältern für jedes Kind und viele mehr.
Die Zulagenlage hat sich für die Dienstnehmer seit den goldenen Zeiten verschlechtert, hört man stets vom Küniglberg, doch ihre Liste (die es laut ORFAuskunft gar nicht gibt) umfasste auch 2007 noch eineinhalb eng beschriebene A4-Seiten, jedenfalls für Langgediente. Zum Beispiel:
- Wohnungszulage (monatlich) 99,04 Euro
- Kinderzulage monatlich p. Kind bis 18 Jahre 113,88, ab 15 Jahre 191,72 Euro
- Unregelmäßigkeitszulage (für unregelmäßige Dienste) 106,90 bis 191,56 Euro
- Familienzulage monatlich 63 Euro
- Kleidergeld monatlich 43,04 Euro
- Rohrgeld monatlich 80,60 Euro (für Fagott‑, Oboenund Klarinettespieler im Orchester)
- Instrumentengeld monatlich pro Instrument 23,78 Euro
- Nebeninstrumentengeld monatlich 32,95 bis 67,13 Euro, für D‑Trompete gar
85,99 - Nachtdienst- und Wochenenddienstzulagen von 3,85 bis 4,76 pro Stunde
- Fahrzeitvergütungen
- Entschädigung für Dienstkleidung pro Dienst 3,05 Euro
- Für Schutzkleidung pro Dienst 5,06 Euro
- Entschädigung für Gesellschaftskleidung, die sogenannte Smokingzulage, pro Dienst 62,55 Euro, für Frack 98,97 Euro
- Höhenzulage pro Tag/Schicht bis 1800 Meter 12,57, bis 2500 Meter 17,32, darüber 23,14 Euro
- Wegegeld nach Seehöhen gestaffelt
- Schmutzzulage pro Tag 3,03, pro Stunde 0,43
- Hausfeuerwächterzulage pro Einsatz 74,78 Euro
- Lenkerzulagen, zudem diverse
- Gefahrenzulagen, Bereitschaftszulagen und
- Diäten für Dienstreisen am Dienstort (elf Euro pro Tag).
Prunkstück unter den Zulagen ist die sogenannte Mehrdienstpauschale quasifür Überstunden höherrangiger Mitarbeiter – die individuell geregelt wird.
2001 berechnete ein ORF-Insider, wie viel die Anstalt sich solche Sonderregelungen kosten ließ: Mit der Kinderzulage zahle der ORF drei Millionen Euro über den gesetzlichen Erfordernissen. Die Wohnungszulage kostete ihn 2,9 Millionen Euro mehr. Zulagen wie die für Anschaffungen, Vertretungen und ähnliches bewertete diese Rechnung mit zwölf Millionen Euro Mehrkosten.
Historische Hoch-Rechnungen, viele Millionen schwer
2001 berechnete ein ORF-Insider, wie viel die Anstalt sich solche Sonderregelungen kosten ließ: Mit der Kinderzulage zahle der ORF drei Millionen Euro über den gesetzlichen Erfordernissen. Die Wohnungszulage kostete ihn 2,9 Millionen Euro mehr. Zulagen wie die für Anschaffungen, Vertretungen und ähnliches bewertete diese Rechnung mit zwölf Millionen Euro Mehrkosten.
Mehraufwand für Abfertigungen gegenüber dem Angestelltengesetz damals: acht Millionen Euro. Biennien, also automatische Gehaltsvorrückungen um immerhin fünf Prozent, kosteten sieben Millionen Euro extra. Ergibt: 33 Millionen Euro extra alleine für 2001. Diese Rechnung könnte in Sachen Privilegien zu kurz greifen.
2003 entfielen laut Prüfbericht 27,4 Prozent des Gehaltsaufwands auf Zulagen. Die Bilanz 2007 wies etwa „gesetzliche und freiwillige Sozialleistungen“ gemeinsam aus – mit 74,3 Millionen bei 293,6 Millionen Euro Personalaufwand.
Und was sagen 2021 zwei Jahrzehnte alte Berechnungen aus? Die alten Verträge im ORF blieben bei jedem neuen Kollektivvertrag im Wesentlichen unangetastet. Es sind immer weniger nach der alten FBV oder nach dem ersten, FBV-ähnlichen Kollektivvertrag angestellt. Aber jene, die es sind, haben auch ihre alten Regelungen.
Der Personalaufwand 2020 lang 2020 laut Jahresabschluss bei 367.074.753,48 Euro. Davon wurden 269.241.930,09 Euro für Löhne, Gehälter und nicht konsumierte Urlaube aufgewendet. 97,8 Millionen Euro gingen an weitere soziale Aufwendungen, davon gut 16 Millionen Euro für Altersversorgung (ORF-Pensionen) plus rund 2,7 Millionen für Mitarbeitervorsorgekassen; rund 9,3 Millionen Euro wurden 2020 für Abfertigungen aufgewendet. 4,9 Millionen Euro wurden als „sonstige Sozialaufwendungen“ verbucht, die übrigen 64,9 Millionen als gesetzliche und gehaltsabhängige Sozialabgaben und Pfichtbeiträge.