• Der ORF (Österreichischer Rundfunk) ist Österreichs weitaus größtes Medienunternehmen mit rund einer Milliarde Euro Umsatz pro Jahr, öffentlich-rechtlich organisiert und großteils über GIS-Gebühren (Programmentgelt) finanziert. Größer als die drei größten Zeitungsverlagshäuser, größer als alle privaten TV- und Radiounternehmen in Österreich zusammen. Marktführer in TV, Radio und Online.

  • Der ORF ist als Stiftung im Dienste der Allgemeinheit organisiert, kontrolliert von einem überwiegend politisch besetzten Stiftungsrat. 9 Mandate besetzt die Bundesregierung, 9 Mandate vergeben die 9 Bundesländer, 6 Mandate die Parteien im Nationalrat, 6 Mandate der – großteils vom Bundeskanzler besetzte – ORF-Publikumsrat, 5 Mandate der ORF-Zentralbetriebsrat. Seit 2019 haben ÖVP-nahe Stiftungsräte die Mehrheit von bis zu 20 der 35 Stimmen.
  • Führungspersonal bestimmt der Stiftungsrat – aktuell am 10. August 2021 – mit einfacher den Generaldirektor oder die Generaldirektorin des ORF für fünf Jahre, laut Gesetz der Alleingeschäftsführer. Die übrigen Direktoren (bis zu vier in der Zentrale, 9 für die Landesstudios) besetzt der Stiftungsrat auf Vorschlag des neu gewählten Generals ebenfalls mit einfacher Mehrheit (aktuell am 16. September 2021).
  • ORF-Generaldirektor ab 1. Jänner 2022 ist Roland Weißmann, bisher Vizefinanzdirektor und Chefproducer Fernsehen. Weißmann löst als Wunschkandidat der ÖVP den Sozialdemokraten Alexander Wrabetz ab, der den ORF seit 1. Jänner 2007 führte und am 10. August 2021 Weißmann im mehrheitlich ÖVP-nah besetzten Stiftungsrat unterlag.
  • Direktoren des ORF sind ab Jänner 2022 Stefanie Groiss-Horowitz (Programm/TV), Ingrid Thurnher (Radio), Eva Schindlauer (Finanzen) und Harald Kräuter (Technik). Der Stiftungsrat bestellte sie auf Weißmanns Vorschlag am 16. September 2021 für fünf Jahre.
  • Der Stiftungsrat entscheidet auch jährlich über Budgets des ORF und Programmschemata, zumindest alle fünf Jahre über die Höhe der GIS-Gebühren sowie über größere unternehmerische Fragen wie das noch bis 2022 laufende, 300 Millionen Euro schwere Bau- und Sanierungsprojekt für das ORF-Zentrum auf dem Küniglberg.
  • Die Wehrhaftigkeit der Journalistinnen und Journalisten sicherte unabhängige und distante Berichterstattung meist weit besser als ihr Management. Dabei helfen Redaktionsstatut und Redaktionsvertretung.
  • GIS-Gebühren darf der ORF nur für seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag einsetzen. Diesen Auftrag definiert das ORF-Gesetz von großen Bereichen wie Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung bis hin zur Förderung der österreichischen Identität im Blickwinkel der europäischen Geschichte und Integration, des Interesses an aktiver sportlicher Betätigung bis zu "in der Regel" anspruchsvollem Programm im Hauptabend "zur Wahl". Den inhaltlichen Auftrag finden Sie im ORF-Gesetz vor allem in Paragraf 4.
  • Nur noch (höchstens) bis Ende 2024 ist die Streamingnutzung von ORF-Programmen GIS-gebührenfrei. Der Verfassungsgerichtshof entschied am 30. Juni 2022, diese Ausnahme einer wesentlichen Nutzungsmöglichkeit widerspreche der Verfassung. Der Gesetzgeber muss bis Ende 2023 eine neue Regelung finden - sonst ist jede Nutzungsmöglichkeit GIS-pflichtig, auch die bisher ausgenommene mobile Nutzung.
  • Warum ist der ORF so groß? Dank rund 700 Millionen Euro GIS-Gebühren (ab 2022/23). Und: Die politische Kontrolle und der zumindest erhoffte Einfluss von Regierungen auf den ORF sicherte dem Unternehmen über die Jahrzehnte seine überragende Marktposition. Auch das über Jahrzehnte eher geringe Interesse vieler Zeitungshäuser an privatem Radio und vor allem Fernsehen – weil Konkurrenz im Werbemarkt – bestärkte die Zurückhaltung der Politik. Erst nach 2015 interessierten sich die bisherigen Verlagshäuser für Fernsehen – das ist zugleich nachgefragter Bewegtbildcontent für Webseiten. Und der ORF als dritter großer medienpolitischer Player in Österreich neben Regierungsmehrheit und Verlegern hatte ohnehin kein Interesse an Konkurrenz.
  • Der ORF ist Marktführer im linearen Fernsehen beim Gesamtpublikum ab zwölf Jahren. Beim Publikum unter 50 Jahren hat ihn ProSiebenSat1Puls4 mit der Übernahme von ATV und ATV 2 2017 überholt. Neben den Hauptprogrammen ORF 1 und ORF 2 betreibt der ORF den recht breit angelegten Spartenkanal ORF 3, gewidmet Kultur und Information, sowie ORF Sport Plus. Aber: Lineares Fernsehen ist ein ein schrumpfender Markt, beim Publikum unter 30 schon überholt von Streamingangeboten.
  • Der ORF ist Marktbeherrscher im UKW-Radio. Mehr als 70 Prozent der vom Gesamtpubilkum ab zehn Jahren täglich gehörten Radiominuten kommen aus ORF-Programmen; mehr als 60 Prozent sind es beim Publikum unter 50 Jahren. Markführer: Ö3 sowie die neun regionalen ORF-Programme, dazu der Kultur- und Infosender Ö1 und FM4 mit alternativem Musikformat, gedacht für ein jüngeres Publikum. Aber: Klassisches Radio ist ein schrumpfender Markt, beim Publikum unter 30 laut senderinternen Studien schon überholt von Streamingangeboten.
  • Der ORF arbeitet an einer großen Streamingplattform für Video und Audio (ORF-Player, ein Arbeitstitel war auch schon "ORF On") mit Empfehlungsfunktionen, Foren zu Sendungen auch für Austausch mit Programmachern und Programmmacherinnen, und auch User Generated Content. Damit der ORF Beiträge alleine oder zuerst für Online produzieren kann, müsste das ORF-Gesetz geändert werden. Bisher dürfen Sendungen auch nur sieben Tage nach Ausstrahlung zum Abruf angeboten werden (mit Ausnahmen etwa für Archivformate). Bisher hat der ORF die TVthek und die Film- und Serienplattform Flimmit, zunächst als kommerzielle Tochter geplant und gescheitert. Inzwischen darf der ORF auch dafür Gebühren verwenden. Gebühren für das zunächst ebenfalls kommerziell geplante und Verlust bringende Klassikportal Myfidelio lehnte die Medienbehörde KommAustria indes im Frühjahr 2022 ab.
  • ORF.at ist Österreichs weitaus meistgenutzte und reichweitenstärkste Nachrichtenplattform. Die auf fast Teletext-ähnliche Übersichtlichkeit fokussierte blaue Info-Seite ist wegen ihrer bisherigen Textlastigkeit (wie in anderen Ländern) steter Angriffspunkt von privaten Medienunternehmen.
  • Das Rundfunk-Sendernetz in Österreich betreibt die ORS, die ziemlich profitable Firma gehört zu 60 Prozent dem ORF und zu 40 Prozent Raiffeisen Wien-Niederösterreich. Sie betreibt etwa auch die kostenpflichtige DVB-T2-Plattform Simpli TV, bietet Satellitenübertragung und andere Infrastrukturdienstleistungen.
  • Die dominierende Größe des ORF relativiert sich etwas mit einem Blick über die Landesgrenzen. Die großen Mitbewerber im Fernsehen sind die deutschen TV-Konzerne ProSiebenSat1 sowie RTL Group, im Onlinemarkt wie in fast aller Welt Google/Youtube, Facebook und Co. Gegen diese digitalen Riesen müssen allerdings auch die deutlich kleineren österreichischen Mitbewerber des ORF bestehen. Google und Co haben im Jänner 2021 erstmals mehr mit Werbung in Österreich eingenommen als alle klassischen Medien zusammen (WERBUNG 2021 DIGITALSTEUER vs. WERBEABGABE MONATLICH Jänner 2021: Google, Facebook in Österreich vorne)

ORF neu auf DIEMEDIEN.at

Das neue Master-Stichwort über den ORF mit einem groben Überblick zu Österreichs größtem Medienkonzern, seinem schwierigen Verhältnis zur Politik, seinen Programmen im Spannungsfeld mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, zu den GIS-Gebühren und anderen Einnahmen und wofür der ORF sie verwendet, mit vielen Charts und Timelines, einem ORF-Lexikon, einem Überblick der Schlüsselspieler im und um den ORF und einem Überblick der schönsten Affären, Skandale und Skandälchen in der "Wunderwelt ORF" finden Sie unten im Bezahlteil.

Hier eine Auswahl neue oder überarbeiteter Lexikonstichwörter und relevanter Daten zum ORF (teils noch in Arbeit):

Ende 2018 habe ich ein Biografie-Buch über den längstdienenden ORF-Generaldirektor veröffentlicht - damals wollten ÖVP und vor allem FPÖ Wrabetz rasch ablösen; 2021 setzte die ÖVP-Mehrheit im Stiftungsrat das dann mit Regierungspartner Grüne um und bestellte Roland Weißmann zum ORF-General ab 2022: Alexander Wrabetz – ORF-General, Überlebenskünstler

Und hier geht es in den Bezahlteil – das neue Master-Stichwort über den ORF:

Das Letzte: Updates zum Ein-/Ausklappen

Am 30. Juni 2022 setzt der Verfassungsgerichtshof der "Streaminglücke" ein Ablaufdatum: GIS-freie Streamingnutzung wie bisher sei verfassungswidrig. Das Höchstgericht hebt mit Wirkung vom 31. Dezember 2023 die Bestimmungen darüber im ORF-Gesetz und im Rundfunkgebührengesetz auf, die GIS-Pflicht alleine an die Möglichkeit der Rundfunknutzung knüpfen. 2015 hat der Verwaltungsgerichtshof deshalb festgestellt, dass der ORF für alleinige Streamingnutzung keine Programmentgelte einheben darf. Der Gesetzgeber bekommt eine Frist bis Ende 2023, eine neue Regelung zu finden. Sonst ist jede Nutzungsmöglichkeit von ORF-Inhalten gebührenpflichtig. Der Verfassungsgerichtshof hält erstmals fest, dass das Bundesverfassungsgesetz Rundfunk aus 1974 eine "Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich" bedeutet. Das Höchstgericht sieht eine "für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk konstitutive staatlich garantierte Finanzierung zur Wahrnehmung seiner besonderen demokratischen und kulturellen Aufgabe". Entscheidung des Höchstgerichts im Original (PDF-Link Verfassungsgerichtshof) und Presseinfo des VfGH zur Entscheidung, veröffentlicht am 18. Juli 2022.

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