WEISSMANN Roland Weißmann (ORF-General ab 2022)
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Roland Weißmann ist ab 1. Jänner 2022 neuer Generaldirektor des ORF nach Alexander Wrabetz, bestellt am 10. August 2021 mit 24 Stimmen im Stiftungsrat für fünf Jahre. 20 kamen von ÖVP-nahen oder ihr nicht fern stehenden unabhängigen Stiftungsräten, drei vom grünen Regierungspartner, dazu gesellte sich der freiheitliche Stiftungsratsvorsitzende Norbert Steger.
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Weißmann ist schon länger bürgerlicher Hoffnungsträger im ORF, spätestens seit sein langjähriger Chef Richard Grasl bei der Generalswahl 2016 Alexander Wrabetz unterlegen ist. Weißmann war bis zum Generalsjob TV-Finanzchef und ab 2017 Vize-Finanzdirektor, ab 2020 ORF.at-Geschäftsführer, zuständig insbesondere auch für das große Zukunftsprojekt ORF-Player, eine Streamingplattform.
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Der bis Ende 2021 amtierende (und schon zuvor am längsten ungeschlagene) ORF-General Alexander Wrabetz unterlag Weißmann mit sechs Stimmen von SPÖ und Kärnten.
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Wenige Wochen nach der Bestellung und noch vor Dienstantritt Weißmanns verliert einer seinen Job, die im Hintergrund seine Bestellung wesentlich mit betrieb: Gerald Fleischmann, Medienbeauftragter von Kanzler Sebastian Kurz, verlässt Anfang Oktober 2021 das Kanzleramt ebenso wie sein für Medien ressortzuständiger Chef Sebastian Kurz, der sich Anfang Dezember ganz aus der Politik zurückzieht. Wenn eine Schlüsselfigur der Bestellung nicht mehr in relevanter Position ist, könnte das bedeuten, dass Weißmann freier agieren kann - im Rahmen einer ÖVP-nahen Mehrheit im Stiftungsrat, die er auch zur ORF-Führung braucht.
Weißmanns Themen zum Start als ORF-Chef
Zentrales Thema ORF-Streaming. Schlüsselfrage für Weißmanns ORF ist die ORF-Streamingplattform ORF On, langjähriger Arbeitstitel ORF-Player. Die Plattform wird seit gut einem Jahrzehnt ORF-intern gewälzt, projektiert und vorbereitet, etwa vom ORF-Vordenker Franz Manola und ab Mitte 2020 - als zuständiger Geschäftsführer der ORF-Onlinetochter - von Weißmann.
Problem: Für den Vollausbau braucht der ORF eine Gesetzesnovelle, die einige Beschränkungen aufhebt - der ORF darf bisher Formate praktisch nicht alleine oder zuerst für Onlineangebote produzieren, erst müssen sie im regulären TV oder Radio laufen. Private Medien, insbesondere die Zeitungsverleger, lehnen vor allem Info-Streamingangebote im Herbst 2021 noch sehr rundweg ab. Weißmann (und damals noch Wrabetz) suchen Kompromisse.
Die Medienbehörde KommAustria muss nach dem ORF-Gesetz neue oder modifizierte Angebote des ORF - teils in aufwändigen Verfahren - prüfen, ob sie den Wettbewerb verzerren und dem öffentlichen Auftrag entsprechen, für den der ORF Gebühren verlangen darf.
Weißmann kündigt für 2022 den Start des "Sportscreen", also des Sportmoduls des ORF-Players, zu den Olympischen Winterspielen in Peking im Februar an - fürs Erste jedenfalls als Videoleiste auf ORF.at (wie es sie dort schon seit 2021 für Newsvideos gibt). Zudem soll das Modul "Sound", eine Adaption der Radiothek, 2022 starten. Und "Topos" für Wissenschaft, Kultur, Religion - wenn sich nicht die Wettbewerbsbehörde gegen das Go der Medienbehörde KommAustria querlegt.
Für März kündigt Weißmann neue ORF-Strategien für Social Media und Youtube an. Auch da hätte der ORF gerne Lockerungen im ORF-Gesetz.
Personal. Ein neuer General bedeutet üblicherweise auch viel neues Führungspersonal vom Direktorium abwärts. Schon das braucht Zeit und Aufwand - Weißmann holt dafür als Administrations- und Personalchef Werner Dujmovits aus dem Radio. (Möglichst) aktueller Überblick zum Führungspersonal: ORF-PERSONAL Führungskräfte, Schlüsselspieler – auch im Stiftungsrat. Viele Gefolgsleute von Vorgänger Alexander Wrabetz bleiben (vorerst jedenfalls) zur Verwunderung mancher ÖVP-naher Stiftungsräte.
In Weißmanns Amtszeit werden 500 bis 600 ORF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pension gehen, auch in den Redaktionen. Das bedeutet viele hundert Neuengagements - die den ORF in den folgenden Jahrzehnten auch inhaltlich prägen werden.
Vereinigte Info. Unter Weißmann werden die bisher getrennten Redaktionen von TV, Radio und Online in den neuen ORF-Newsroom einziehen - 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen den gewaltigen Glaswürfel um einen Erlenwald im Lichthof besiedeln und künftig gemeinsam das Land informieren. Vorerst gemeinsam geführt von drei Chefredakteuren (gut möglich, dass das die drei bisherigen sind: Matthias Schrom (TV), Hannes Aigelsreiter (Radio), Christian Staudinger (Online), womöglich mit einer Frau am Newsdesk oder als wirtschaftliche Newsroom-Managerin).
Oberster Boss der vereinten ORF-Information wird der ORF-General, der ist immerhin Alleingeschäftsführer im Newsroom. Disziplinär ist er jedenfalls verantwortlich, eine neue Hauptabteilung Info in der Generaldirektion soll kommen. Die fachliche Verantwortung - jenseits der vom ORF-Gesetz und dem Redakteursstatut garantierten journalistischen Weisungsfreiheit - will der General mit einem "Board" teilen: der General, zudem ORF-2-Chef (Alexander Hofer), Radiodirektorin (Ingrid Thurnher) und Online-Chef (interimistisch beim Start Technikdirektor Harald Kräuter). Die Mehrheit entscheidet - aber nie gegen den ORF-General, sagt der Entwurf für die Newsroom-Organisationsanweisung, die noch Alexander Wrabetz als ORF-General verschickt hat. Sie ist - Stand Anfang 2022 - noch mit Redakteursrat und Betriebsrat abzustimmen.
Vor allem aus Radio und Online ist Sorge zu hören über ihre künftige Position in einem Newsroom, den wohl die personalstarke, aufwändige und sehr selbstbewusste TV-Information dominieren werde.
Ein neuer Newsdesk mit geplant 56 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterinnen für rasche News und Newsbeiträge auf allen ORF-Kanälen bis zu Social Media wird zur zentralen Info-Schaltstelle und regt Bedenken über die künftige Vielfalt der ORF-Info an. Auch wenn Generäle von Wrabetz bis Weißmann betonen, dass es weiter Sendungsteams etwa für die Ö1-Journale oder die ZiB 2 geben wird.
Programm. Handlungsbedarf hat das jüngere ORF-Hauptprogramm ORF 1. Da kündigt Weißmann fürs Erste eine Reform des Vorabends an und eine "showige" neue Sendung für den zweiten Mittwoch-Hauptabend zu Klima- und Umweltthemen. Satiriker Peter Klien kehrte mit 14. Jänner 2022 zurück ins ORF-1-Programm mit der Late Night Gute Nacht Österreich (Freitag nach 23 Uhr). Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz wird vorerst nebenher auch ORF-1-Managerin.
FM4 soll weniger "spitz" programmiert werden, Weißmann spricht davon, den etwas in die Jahre gekommenen Alternative-Sender mit der supertreuen Community "relevanter" zu machen. Das soll die neue Senderchefin Doroteja Gradištanac übernehmen.
Weißmann kündigt in seinem ersten Pressegespräch nach Amtsantritt am 14. Jänner 2022 zudem eine Reihe von Programm-Aktivitäten an wie eine Verbreiterung der Castingshow Starmania zum aktuellen Schlager ("goes Helene Fischer"), eine Neuauflage von MA 2412 mit Alfred Dorfer und Roland Düringer als Weihnachts-Special in drei Teilen, eine Österreich-Version von Little Big Lies (Tage, die es nicht gab, MR Film).
Die Vorgeschichte im Überblick
* 16. März 1968 Beinahe wäre Roland Weißmann 2016 ORF-Finanzdirektor geworden – und damit Nachfolger seines langjährigen Chefs Richard Grasl. SPÖ, Grüne und andere legten sich in letzter Minute quer. Doch weil es gilt, die ÖVP nach Wrabetz zweiter Wiederwahl wieder an Bord zu holen, bleibt Weißmann Chefproducer und damit Herr über die Fernseh-Budgets. Und Weißmann bekommt zusätzlich den neu geschaffenen Titel des Vize-Finanzdirektors (analog zu Technik-Vize Thomas Prantner). 2020 wird er zusätzlich Geschäftsführer der ORF-Tochter ORF Online & Teletext GmbH, zuständig für das große Streamingprojekt ORF-Player. Der Linzer Weißmann kommt 1995 ins Landesstudio Niederösterreich (Grasl ist dort seit 1992), er wechselt 1998 als Chef vom Dienst zu Ö3 und 2000 in die zentrale Radio-Nachrichtenredaktion. 2003 geht er als Wortchef von Radio Niederösterreich zurück nach St. Pölten, da ist Grasl schon Chefredakteur, unter ihm wird Weissmann 2007 Fernsehchef, er leitet Niederösterreich heute. 2010 folgt Weißmann Grasl als Büroleiter in die ORF-Finanzdirektion, 2012 wird er Chefproducer.
Generalstabsmäßige Verbindungen
Kontaktmann. Roland Weißmann wird nach der Niederlage von Richard Grasl bei der Generalswahl 2016 und seinem Abgang aus dem ORF einer der wichtigsten Verbindungsleute zwischen dem Küniglberg und der ÖVP, die sich bald türkis und türkiser färbte. 2017 übernahm Sebastian Kurz die Parteiführung. Weißmann pflegte gute Kontakte in Kurz' Umfeld im Kanzleramt, etwa zu dessen Medienbeauftragtem Gerald Fleischmann.
Stiftungsrat. Weißmann ist spätestens ab 2016 regelmäßiger Gast bei Treffen des "Freundeskreises" ÖVP-naher ORF-Stiftungsräte - Fraktionstreffen quasi zur Vorbesprechung von Sitzungen des Stiftungsrats oder Strategien dort. Auch Christine Lackner aus Grasls Büro, sie leitet nach dessen Abgang bald die neue Stabsstelle Public Affairs im ORF, wird dort häufig gesichtet. Ein Screenshot von einer Freundeskreis-Sitzung über Skype im März 2021 zeigt Weißmann, Lackner und Fleischmann in der Runde, zudem etwa bürgerliche ORF-Landesdirektoren.
Weißmann und Fleischmann im Freundeskreis der ÖVP-nahen Stiftungsräte
- 9. August 2021
- Kanzler-Medienbeauftragter Fleischmann beim Treffen der ÖVP-Stiftungsräte Am Vorabend der Bestellung von Roland Wei9ßmann zum ORF-General mit der alleinigen Mehrheit der ÖVP im ORF-Stiftungsrat am 10. August 2021 geht ein Screenshot an einige Redaktionen in Österreich, unter anderem an mich. Der Screenshot zeigt ein Treffen des „Freundeskreises“ ÖVP-naher Stiftungsräte im März 2021 über Skype, an dem der damalige Medienbeauftragte des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP), Gerald Fleischmann teilgenommen hat – auf dem Screenshot gleich neben dem bürgerlichen Fraktionssprecher Thomas Zach in der ersten Reihe und sichtlich am Wort, vor den Fahnen Österreichs und der EU und mit der eingeblendeten Teilnehmerkennung „AT-BKA 201..“. Fleischmann bestätigt die Teilnahme, er habe ein Referat über medienpolitische Fragen gehalten. Ebenfalls auf dem Screenshot als Teilnehmer der Skype-Konferenz der bürgerlichen Stiftungsräte: Roland Weißmann, damals Chefproducer TV, Vizefinanzdirektor und ORF.at-Geschäftsführer. Weißmann ist spätestens seit dem Abgang des Finanzdirektors und unterlegenen Generalskandidaten Richard Grasl 2016 häufig bei den Fraktionssitzungend der bürgerlichen Stiftungsräte, ebenso nimmt etwa Christine Lackner (früher Büroleiterin Grasls im ORF, sie wird später unter der ÖVP-FPÖ-Regierung Public-Affairs-Beauftragte des ORF).
Am 1. Juli 2021 ist Fleischmann ebenfalls Gast im ÖVP-Freundeskreis, der zur Vorbereitung auf die Generalswahl, offiziell Beratung über die „Zukunft des ORF“, im „Forum Mozartplatz“ des ÖVP-Wirtschaftsbundes im vierten Wiener Bezirk tagt. Weißmann hält dort ein sehr ausführliches Grundlagenreferat über den ORF und was er brauche, das man auch als Wahlrede oder Bewerbung lesen kann.Gerald Fleischmann bei einem Treffen der ÖVP-Stiftungsräte im März 2021 (Screenshot, unbekannter Urheber, Ausschnitt). Der wohl heimlich aufgenommene Screenshot vom Treffen des türkisen Freundeskreises zeigt neben Fraktionssprecher Zach und Kanzlerbeauftragtem Fleischmann sowie Generalsanwärter Weißmann auch einige andere Gesichter und Namen. Erwartbar Mitglieder des Freundeskreises wie Gregor Schütze, Franz Medwenitsch, Andreas Kratschmar, Petra Stolba, Helmut Miernicki, Sophie Matkovits, Herwig Hösele und Klaus Poier. Sondern auch zwei Stiftungsräte, die die Bundesregierung als „unabhängige“ Mitglieder in das oberste ORF-Gremium entsandt hat – Bernhard Tschrepitsch und Ruth Strondl. Bei diesem Treffen ist laut Screenshot auch die unabhängige Radio-Betriebsrätin Gudrun Stindl dabei, sie erklärte die Teilnahme mit dem Thema Newsroom-Umbau und Interessen des ORF-Radios. An dem Skype-Treffen nahmen zudem laut Screenshot die damaligen ORF-Landesdirektoren Kurt Rammerstorfer (Oberösterreich) und Norbert Gollinger (Niederösterreich) teil sowie Robert Ziegler, damals noch Chefredakteur und ab 2022 unter Weißmann zum ORF-Landesdirektor in Niederösterreich.
In der ORF-Geschichte nahmen Mediensprecher der jeweiligen Partei, Parteimanager oder auch Parteiobleute an Treffen der passenden „Freundeskreise“ von ORF-Stiftungsräten (oder früher ORF-Kuratoren) teil. SPÖ-Stiftungsräte trafen sich etwa schon in den Klubräumlichkeiten des SPÖ-Parlamentsklubs im Beisein der damaligen Parteimanagerin Laura Rudas (um 2010).
Fraktionschef. Weißmann pflegt insbesondere auch gute Kontakte mit dem Fraktionssprecher der bürgerlichen ÖVP-Stiftungsräte, Thomas Zach, etwa auch beim Tarock, kolportiert auch gemeinsam mit Richard Grasl. Im Sommer 2021 sagt er zu gemeinsamen Tarock-Treffen in dieser Runde, er habe - Corona-bedingt - schon lange nicht mehr gespielt.
Kurz mal weg. Mit dem Rückzug von Sebastian Kurz und Gerald Fleischmann aus dem Kanzleramt im Gefolge der Umfrage- und Inseratenaffäre mit 11. Oktober 2021 und schließlich jenem von Kurz aus der Politik mit 2. Dezember 2021 sind die wichtigsten politischen Kräfte hinter der Bestellung von Roland Weißmann zum ORF-General weg. Und damit jene Menschen, die für ihre Unterstützung etwas erwartet haben könnten. Das könnte eine Chance für Weißmann sein - der im Standard-Interview (in etwas anderem Zusammenhang) nach seiner Wahl sagte: "Wenn ich etwas zusage, dann halte ich mich daran."
Im Gespräch mit Claudia Stöckl auf Ö3, dem ersten Interview als ORF-General, erklärt Weißmann zum Abgang von Fleischmann und Kurz: "Ich bin mir relativ sicher, dass ich die Wahl auch Monate später gewonnen hätte." Im Nachsatz hinterfragt er den Support aus dem Kanzleramt, auch mit einer Anspielung auf Kontakte seines Vorgängers und Mitbewerbers Alexander Wrabetz: "Wer hat mit dem damaligem Bundeskanzler geredet? Ich nie."
Weißmann wieder holt im Frühstück bei mir auf Ö3: "Ich war nie ein Parteisoldat." Er habe nie ein Parteibuch gehabt und werde auch keines haben.
Besetzung
Den Grünen wurden für die Unterstützung Weißmanns Vorschlagsrechte für die zwei gewichtigen Direktionen Finanzen und Fernsehen zugesichert. Weißmann schlägt dafür tatsächlich die von den Grünen (sachlich) empfohlenen Kandidatinnen Eva Schindlauer (zuvor ORF 3) und Stephanie Groiss-Horowitz (Puls 4) vor - Ö3-Chef Georg Spatt verzichtet dann doch auf eine Bewerbung fürs Fernsehen.
Kontrastprogramm. Wesentlich ist dem Favoriten des türkisen Lagers offenkundig eine namhafte Journalistin im Team - Ingrid Thurnher, zuvor ORF-3-Chefredakteurin, als Radiodirektorin. Der ausgewiesene Experte Harald Kräuter wird Technikdirektor. Beide werden eher bürgerlich eingeordnet, wenn man sie schon einordnen will.
Bei den ORF-Landesdirektoren bemüht sich Weißmann ebenfalls um mehr Frauen, zugleich aber auch Abstimmung mit den Landeshauptleuten, etwa auch mit dem roten Wien.
Flexibel. Formal noch von Wrabetz, aber in Abstimmung mit Weißmann werden Ende 2021 etwa FM4 (Doroteja Gradistanac) und TV-Magazine besetzt. Weißmanns Favoritin Claudia Lahnsteiner schneidet im Managementhearing und bei den betroffenen Redakteurinnen nicht gut ab. Der disponiert um, als sich seine Wunschkandidatin nur schwer ausgeht - und hat künftig (voraussichtlich) seine Generals-Gegenkandidatin Lisa Totzauer als Magazinchefin.
Freund und Feind aus St. Pölten
Der Oberösterreicher hat im ORF Niederösterreich in einem Team begonnen, das noch einiges wurde im ORF.
Richard Grasl war einer der selbst- und karrierebewusstesten Redakteure in dieser Expositur des (noch nicht aus Wien übersiedelten) Landesstudios in St. Pölten. Grasls ORF-Karriere begleitete Weißmann lange Schritt für Schritt - bis zu dessen Bewerbung um die ORF-Führung 2016. Grasl unterlag, unterstützt von ÖVP und FPÖ, Amtsinhaber Alexander Wrabetz. Grasl verließ den ORF, wurde erst Berater und dann nach einem tragischen Ereignis im privaten Bereich, der einer Rückkehr an die stark im öffentlichen Fokus stehende ORF-Spitze entgegenstand, stellvertretender Chefredakteur beim Kurier. Weißmann blieb im ORF und wurde einer der wichtigsten Vertrauensleute für die türkise ÖVP des Sebastian Kurz. Grasl war einer der ersten, der dem "Roli" am 10. August 2021 auf Twitter zur Generalsbestellung gratulierte. Auch wenn sich das Verhältnis schon etwas abgekühlt hatte mit kolportierten Überlegungen Grasls, 2021 vielleicht doch wieder anzutreten.
Lisa Totzauer war ebenfalls Teil des St. Pöltener ORF-Biotops. Die den Bürgerlichen zugerechnete Totzauer bewirbt sich 2021 ebenfalls um die Funktion des ORF-Generals, bekommt aber aus dem ÖVP-Lager keine Stimme. Sie wird von drei FPÖ-nahen Stiftungsräten sowie Neos und einer unabhängigen Betriebsrätin unterstützt. Das Verhältnis zwischen Weißmann und Totzauer gilt als belastet.
Alexander Hofer Der ORF-2-Manager und Unterhaltungschef Fernsehen kommt ebenfalls aus dem St. Pöltener Landesstudio-Biotop.
Robert Ziegler, ab 2022 Landesdirektor in Niederösterreich, ehemaliger Betriebsrat und sehr vertraut mit der insbesondere niederösterreichischen ÖVP, begann 1998 im Landesstudio.
Gudrun Stindl Die Radio-Betriebsratschefin mit Betriebsratsmandat im ORF-Stiftungsrat begann ebenfalls in der St. Pöltener Expositur. Sie soll noch immer einen guten Draht zu Weißmann haben. Ihre Kollegin und Betriebsratschefin in der Kaufmännischen Direktion, Marianne Schüttner (nicht aus dem Expositur-Biotop), stimmte 2021 im Stiftungsrat ebenfalls für Weißmann.
Handschlagqualität
Weißmann, sagen Menschen, die ihn kennen, arbeitet sich sehr intensiv in Themen ein, etwa für seine Funktion als Chefproducer, also Finanzverantwortlicher für das 400-Millionen-Budget des ORF-Fernsehens. Er kommuniziere intensiv, bemühe sich um eine offene Gesprächsbasis. Handschlagqualität wird ihm attestiert, er bemühe sich jedenfalls darum, Vereinbarungen auch zu halten.
Versprochen hat Weißmann in seiner Generalsbewerbung raschere und dezentralere Entscheidungen und Entscheidungsstrukturen im Führungsteam.
Persönlich
Handschlagqualität. Der laut Eigendefinition "Sportfreak" brachte es schon zum schwarzen Gürtel in Karate, inzwischen läuft er Marathon und praktisch jeden Morgen und boxt (meist samstags). Weißmann hat auch einen Jagdschein - in Niederösterreich, wo er lange im ORF tätig war, kann dieses Hobby schon politisch-gesellschaftlich relevant sein.
Wut. Weißmann gibt sein erstes Interview als ORF-Generaldirektor am 9. Jänner dem hauseigenen Ö3. Dort räumt er ein: Wie sein Vorgänger Alexander Wrabetz kann er durchaus laut werden. "Das passiert leider immer wieder. Was mich auszeichnet, dass ich nicht sehr lange böse bin und relativ rasch das Gespräch suche. Ich werde manchmal schneidender in meiner Wortwahl. Schreien tu ich ganz, ganz selten." Wutausbrüche werde er sich "als Generaldirektor nicht leisten können, das würde mich zuviel Energie kosten."
Seilschaften. Zum ORF-General wurde Roland Weißmann nach eigenem Bekunden "zu 70 bis 80 Prozent" dank "harter Arbeit", und: "Der Rest ist die Gunst der Stunde gewesen." Weißmann sagt: "Gänzlich ohne Netzwerk wird man wahrscheinlich nicht durchkommen." Aber: "Freundschaften pflegt man unabhängig davon, ob man etwas braucht oder nicht." Sein Netzwerk sei "handverlesen, das pflege ich unabhängig von der aktuellen Situation".
Beziehungsstatus. Er deklariert sich in Claudia Stöckls Frühstück bei mir als Single. Seine jüngste Beziehung zu Flugbegleiterin Karolin Moebius sei inzwischen zur Freundschaft geworden. Auf deren Labrador "Wupper" passe er regelmäßig auf. Wann hatte er das letzte Mal "Herzklopfen", will Ö3 im Fragebogen wissen. Als er "Wupper" nach einer Woche wiedersah.
Als im Sommer der Generalswahl kursiert, er habe eine Beziehung mit Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler, verneint er das amüsiert bis überrascht. Bei der ORF-Starnacht in der Wachau am 25. September 2021 dokumentiert ein Gast mit dem Handy einen Tanz Weißmanns mit Edtstadler bei dem Event, Edtstadtler verabschiedet sich mit Küsschen auf die Wange vom nächsten ORF-Generaldirektor. Peter Pilz' Plattform Zackzack.at berichtet von dem rasch kursierenden Handyvideo unter dem Titel "Edtstadler tanzt den Roli".
Party. Weißmann hat nach eigenem Bekunden recht exzessiv studiert Anfang der 1990er Jahre: Er organisierte mit Freunden Partys im lerchenfelder Studentenheim, legendär und "recht spektakulär" etwa "Toga-Partys" im Juni im Keller des Studentenheims, dass sich "zu einer kleinen Disco entwickelt" habe. Weißmann erinnert sich an "ein paar tausend Leute, die für ein paar Stunden ins Studentenheim gekommen sind".
Lebensweisheit. Was war der wichtigste Rat, den Weißmann je bekommen hat, will der Frühstück bei mir-Fragebogen noch wissen: "Am Ende des Tages kann man sich nur auf sich selbst verlassen." Wer hat ihm den Rat gegeben? "Das Leben."
Erster Musikwunsch bei Stöckl auf Ö3: Changes von David Bowie, Weißmann war ein "großer Bowie-Fan". Und auf den letzten Metern beim Laufen braucht er "etwas Peitschendes", so erklärt er seinen weiteren Musikwunsch Maschin von Bilderbuch.
Im Lexikonstichwort gibt es noch einen tabellarischen Lebenslauf Weißmanns.