WRABETZ, Alexander (ORF)
- Alexander Wrabetz (21. März 1960) ist seit 1. Jänner 2007 jedenfalls bis Ende 2021 Generaldirektor und damit Alleingeschäftsführer des ORF, also des weitaus größten österreichischen Medienkonzerns, öffentlich-rechtlich organisiert und zu zwei Dritteln aus GIS-Gebühren finanziert.
- So lange hielt sich noch niemand durchgehend an der Spitze des ORF. Der legendäre ORF-Generalintendant Gerd Bacher kam zwar auf fünf Amtszeiten, aber mit zwei Unterbrechungen nie mehr als zwei am Stück.
- Wrabetz bewirbt sich 2021 ein viertes Mal, für eine Amtszeit 2022 bis Ende 2026. Den ORF-Generaldirektor bestellt der ORF-Stiftungsrat, diesmal am 10. August 2021, mit einfacher Mehrheit in offener Abstimmung. ÖVP-nahe Stiftungsräte stellen alleine diese nötige Mehrheit unter den 35 Mitgliedern des obersten ORF-Gremiums. Wahrscheinlichster Gegenkandidat: Roland Weißmann bisher Vize-Finanzdirektor.
- Der Sozialdemokrat, ehemalige Vorsitzende des Verbands Sozialistischer Studenten (VSStÖ, 1983-1984) und Manager in der Verstaatlichten Industrie kommt über das ORF-Aufsichtsgremium 1998 als Finanzdirektor in den ORF und behält den Job auch unter Monika Lindner, die mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ mit 2002 vorzeitig Gerhard Weis an der Spitze des ORF ablöst.
- 2006 schafft Finanzdirektor Wrabetz gegen die Kanzlerpartei ÖVP und mit deren freiheitlichem Noch-Koalitionspartner BZÖ sowie Stimmen von SPÖ, FPÖ, Grünen und Unabhängigen die Wahl zum ORF-General ab 2007.
- Als beruflicher Überlebenskünstler und Selbstverteidigungsakrobat hält sich Wrabetz gegen Angriffe von Freund und Feind an der ORF-Spitze. 2008/9 will ihn Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in der Finanzkrise loswerden, doch sein Wunschkandidat für die ORF-Spitze wird doch lieber nur Radiodirektor. Im Sinne der SPÖ löst er den widerspenstigen Informationsdirektor ab und installiert den – sachlich auch kompetenten – Wunsch-Chefredakteur im Fernsehen.
- 2011 ist Kanzler Faymann bei der Generalswahl der entgegenkommende Wrabetz doch irgendwie lieber als der ehemalige ORF-Chef und international erfahrene Medienkönner Gerhard Zeiler, der womöglich auch auf die SPÖ-Führung und das Kanzleramt abgesehen haben könnte (beinahe wird Zeiler das dann 2016).
- 2016 versucht die ÖVP mit der FPÖ, Finanzdirektor Richard Grasl als ORF-General durchzusetzen, SPÖ, Grüne, Neos und Unabhängige setzen auf Wrabetz – und düpieren die unterlegene ÖVP gleich mit einem Direktorium ohne eine oder einen der ihren. Tragische private Entwicklungen sprechen fürs Erste gegen eine Rückkehr Grasls auf den Küniglberg, er wird Vize-Chefredakteur beim Kurier.
- Gleich 2017 wird Sebastian Kurz ÖVP-Chef und Bundeskanzler in einer Koalition mit der FPÖ, und die schießt sich sofort auf den ORF und Wrabetz ein. Finanzierung aus dem Staatsbudget statt GIS für einen verkleinerten ORF ist die Devise, Angriffe auf "unbotmäßige" ORF-Journalisten an der Tagesordnung. Ein Vorstand für den ORF statt des Alleingeschäftsführers in einem neuen türkisblauen ORF-Gesetz soll einen Anlass für vorzeitige Neubestellung der ORF-Führung liefern. Wrabetz installiert (nach zehnjähriger Debatte über die Funktionen) rasch die passenden bürgerlichen Channel-Manager für ORF 1 und ORF 2 und zwei Chefredakteure nach türkise und blauen Vorstellungen. Den Job des bisherigen Chefredakteurs (siehe 2011, SPÖ) strich Wrabetz bei der Gelegenheit. Die FPÖ bleibt bei ihren Plänen, die ÖVP wirkt jedenfalls nicht abgeneigt.
- Am 17. Mai 2019 kommt das heimlich aufgenommene Ibiza-Video über Heinz-Christian Straches Übernahmefantasien für die Krone und einer Medienpolitik nach dem Vorbild des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán einem neuen ORF-Gesetz zuvor, nur Tage vor einem Entwurf im Ministerrat, freut Alexander Wrabetz danach auch halböffentlich über das Timing der Veröffentlichung. Kurz beendet die Koalition mit der FPÖ und geht nach Expertenregierung und Neuwahl zum Jahreswechsel 2019/2020 mit den Grünen zusammen, die dem ORF und auch Wrabetz weitaus freundlicher gegenüberstehen. Aber: Mit Amtsantritt dieser Regierung bekommt die ÖVP noch mehr nahestehende Stiftungsräte – und damit erstmals die alleinige Mehrheit für Generalswahlen seit ORF-Gedenken, jedenfalls vielen Jahrzehnten.
- Wrabetz hat in fast eineinhalb Jahrzehnten an der Spitze gezeigt, dass er Österreichs weitaus größten Medienkonzern ORF führen kann (auch schon in den acht Jahren davor als Finanzdirektor). Ein Unternehmen in einer sehr eigenen Konstellation zwischen Politik, Markt und oft die Möglichkeiten mitbestimmendem Mitbewerb, in einer Position irgendwo zwischen Manager und Politiker, alleine verantwortlich für einen Konzern von an die 4000 Menschen, mit einem Umsatz von gut einer Milliarde, mit laut Gesetz neun Millionen Auftraggebern, großteils bezahlt von gut drei Millionen Gebührenhaushalten, noch stark fixiert auf Rundfunk in einer digitalen Welt. Und mit einem Aufsichts- und Entscheidungsgremium, das größtenteils die Politik bestimmt.
- Wrabetz hat eine Corona-Krise sehr entgegenkommend medial für die Regierung mit gemanagt, einen Info- und Kulturkanal politisch durchgebracht und gestartet, einen Sportspartenkanal, er hat Höchstgerichte bemüht für mehr Spielraum auf Social Media. Er hat den Standort ORF um gut 300 Millionen (aber immerhin im Budget) saniert und teils neu gebaut und einen neuen Newsroom für TV, Radio, Online. Er hat die Gebührenfinanzierung verteidigt (und die vergleichsweise starke Werbefinanzierung), aber keine Gebühren für Streaming durchsetzen können. Er hat etwa ein Jahrzehnt eine große Social-Streaming-Plattform planen, vorbereiten, konzipieren lassen, sie aber noch nicht umgesetzt. Vieles dauert sehr, sehr lange im ORF des Alexander Wrabetz. Das kann auch gut sein, aber auch zu zäh für eine so schnelle digitale Welt.
Ich habe 2018 eine Biografie über den "Überlebenskünstler" Alexander Wrabetz auf DIEMEDIEN.at veröffentlicht, als seine Zukunft als ORF-General wieder einmal fraglich war, diesmal unter heftigem blauem und türkisem Beschuss. Sie finden diese Biografie, Stand großteils 2018, mit einem eigenen kleinen Wrabetz-Lexikon hier:
DIEMEDIEN.bio 2018 Alexander Wrabetz ORF-General, Überlebenskünstler