Jan 21, 2025

Oberster Gerichtshof verurteilt Wirtshausbrief der "Tagespresse" – Satire sei nicht erkannt worden

Der Oberste Gerichtshof verurteilt das Satireportal Tagespresse wegen ihres Wirtschausbriefs im Namen der FPÖ Niederösterreich. Die FPÖ verzichtet überraschend auf die zugesprochene, teure Urteilsveröffentlcihung.
Autor:in
Harald Fidler
Zuletzt aktualisiert
March 27, 2025

Das Verfahren über den Satirebrief der Tagespresse an niederösterreichische Wirte mit Prämien und Prangerdrohung nach Kriterien wie "Panierquote" und "Gabalier-Fleischlaberl" bot gegen Schluss noch einige überraschende Plot Twists.

Die Tagespresse sandte 500 niederösterreichischen Wirten am Karfreitag, den 7. April 2023, einen Brief im Namen einer "Abteilung für patriotische Esskultur" der FPÖ Niederösterreich. Anlässlich der realen "Wirtshausprämie" appellierte sie, statt "medium rare Steak" etwa "mittelrohe Fleischschnitte" anzubieten. "Nicht heimattreue Wirte" würden in einem öffentlichen Online-Register "als unpatriotisch ausgewiesen.

Das Satireportal klärte die Aktion wenige Tage später auf, praktisch alle Medien berichteten. Die FPÖ Niederösterreich klagte auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, blitzte aber bei Handelsgericht Wien und Oberlandesgericht Wien ab.

Überraschung: Am 21. Jänner 2025 allerdings entscheidet der Oberste Gerichtshof nach außerordentlicher Revision, dass die Tagespresse unzulässig Namensrechte der FPÖ Niederösterreich verletzt habe, und lässt Satire nicht gelten. Das Höchstgericht geht hier von bisheriger Rechtsprechung ab, wonach Satire als solche erkennbar sein muss und sagt, dass sie erkannt werden muss: "Eine Parodie/Satire setzt nämlich voraus, dass der Leser, Hörer oder Betrachter auch erkennt, dass die Parodie gerade nicht vom Urheber des parodierten Werks stammt, sondern der Meinungs- und Äußerungsfreiheit des Parodisten entspringt."

Wirtschaftlich hart: Der Oberste Gerichtshof ordnet die Veröffentlichung des Urteils in den Niederösterreichischen Nachrichten und den Bezirksblättern auf Kosten der Tagespresse an. Listenpreis: mehr als 63.000 Euro.

Die Tagespresse kündigt an, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen.

Überraschung: Die FPÖ Niederösterreich lässt die Frist für die vom OGH verordete kostenpflichtige Veröffentlichung binnen vier Wochen Anfang März 2025 ungenützt verstreichen und erspart der Tagespresse damit gut 60.000 Euro. Die FPÖ erklärt die Kulanz so: Praktisch jedes relevante Medium habe den Verfahrensausgang zu ihren Gunsten ohnehin berichtet.

Höre dir den Artikel an:

Oberster Gerichtshof verurteilt Wirtshausbrief der "Tagespresse" – Satire sei nicht erkannt worden
Audio Track
March 29, 2025
00:00

Relevante Artikel

No items found.
No items found.

Ich will Medienwissen für alle unterstützen!

Du kannst die Wissensplattform diemedien. unterstützen ...

  • ... mit einer einmaligen Spende.
  • ... als Supporter – du hast damit selbst noch mehr von diemedien.
  • ... als Company-Supporter, Organisation-Supporter oder Sponsor – mit Specials für dein Team.