Krisen und Herausforderungen für Journalismus und Medien in Charts
Inhalt
Dieses Thema ist auch relevant für:
Warum ist das wichtig?
Was Journalismus ist und was er tut, steht unter Wozu Journalismus? Wozu Medien?
Vor welchen existenziellen Herausforderungen er steht und in welchen Krisen, dazu gibt es hier Daten – aus Umfragen, Jahresabschlüssen, Steuereinnahmen und Jobstatistiken. Und hier zunächst einen knappen Überblick:
- Nachrichten vermeiden. Mehr und mehr Menschen sagen in Umfragen, sie vermeiden Nachrichten – weil zuviel, zu schlecht für die Stimmung, zuwenig nah. Desinteresse an Nachrichten ist ein Problem für Medien und Menschen, deren Aufgabe und Job Informationen sind. Informationen, die insbesondere zu informierten demokratischen Entscheidungen beitragen sollen.
- Sinkendes Vertrauen. Das Vertrauen in Nachrichten insgesamt geht zurück, aber auch das Vertrauen in die selbst genutzten Medien. Woher kommt das?
- Nachrichtenquelle Social Media. Wichtigster Zugang zu Nachrichten für junge Menschen sind Social Media. Medien müssen also auf diesen Plattformen präsent sein, um sie zu erreichen. Im Match um Aufmerksamkeit treffen sie hier auf Posts und Meinungen von Menschen wie du und ich, aber auch auf Inhalte parteiischer Medien, auf gezielte Desinformation.
- Wut und Emotion. Algorithmen sozialer Plattformen zielen auf möglichst lange Nutzung ab. Emotion bindet Aufmerksamkeit. Also belohnen diese Algorithmen, was Emotion hervorruft, etwa Wut. Das können parteiische Medien und der Boulevard einfacher als Medien mit journalistischem Anspruch.
- Parteiische Medien. Bei parteiischen, parteinahen und Partei-"Medien" steht eine bestimmte Weltsicht im Vordergrund, nicht eine möglichst realitätsnahe Darstellung – auch wenn sie ihre Weltsicht als Realität darstellen und journalistische Inhalte und Medien als Fake desavouieren. So versuchen sie, das Vertrauen in journalistische Medien zu untergraben.
- Digitale Bezahlbereitschaft. Die Bereitschaft, für journalistische Inhalte zu bezahlen, ist noch überschaubar. Professionelle Redaktionen in relevanter Größe vermag sie nur in seltenen Ausnahmefällen zu finanzieren. Journalistischer Anspruch kostet Geld, vor allem für Personal, auch wenn Künstliche Intelligenz (KI) hilft. Privat organisierter Journalismus steht im Match um Haushaltsbudgets in Konkurrenz mit Streamern von Netflix bis Spotify, aber auch mit verpflichtenden Zahlungen an öffentlich-rechtliche Medien.
- Kosten-Druck. Höher ist die Bezahlbereitschaft des Publikums für gedruckte Zeitungen und Zeitschriften, auch wenn die Auflagen zurückgehen. Aber: Der Aufwand für Druck und vor allem Vertrieb ist dramatisch gestiegen, inflationsbedingt auch für Personal.
- Werbeschwund Richtung Digitalriesen. An Geld mangelt es massiv auch am anderen Ende: Werbung waren über Jahrzehnte wichtigste Einnahmequelle von Medien, die Inhalte damit finanzieren. 2023 ging erstmals auch in Österreich mehr Werbegeld an internationale Digitalkonzerne wie Alphabet, Meta, Bytedance und Co.
- Adblocker blenden mit Werbung auch gleich deren Beitrag zur Finanzierung von Journalismus aus. Was nicht angezeigt wird, wird auch nicht bezahlt. Laut Bewegtbildstudie 2024 der RTR verwenden 40 Prozent der Menschen ab 14 in Österreich Adblocker auf zumindest einem Gerät.
- Öffentliche Förderungen, öffentliche Werbebuchungen. Überschaubare Bezahlbereitschaft und dramatischer Werbeschwund bedeuten: höhere Bedeutung von öffentlichen Werbebuchungen, schon bisher in international hohem Umfang, die als informelle Medienförderung eingesetzt haben. Aber auch von formellen Medienförderungen. Damit wächst die Abhängigkeit von öffentlicher Unterstützung.
- Öffentliche Medien. Öffentliche Finanzierung, derzeit aus verpflichtenden Beiträgen, macht beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk den größten Teil der Einnahmen aus. Eine zentrale Aufgabe öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist umfassende Information im Interesse der Allgemeinheit – also Journalismus. Zugleich stehen öffentlich-rechtliche Angebote in Konkurrenz mit privaten journalistischen Angeboten, die darin teils existenzbedrohende Wettbewerbsverzerrung sehen. Im ORF als größtem österreichischen Medienkonzern, aber auch der direkt aus dem Bundesbudget finanzierten digitalen Wiener Zeitung (WZ).
- Künstliche Intelligenz (KI). KI kann Journalistinnen und Journalisten auf vielerlei Arten bei der Arbeit helfen, bei der Darstellung und Aufbereitung etwa, schematische Aufgaben abnehmen etwa, Material sichten, Zusammenfassungen vorschlagen etwa für Social-Media-Posts. KI beschleunigt und vereinfacht zugleich aber etwa die Produktion von täuschend echt wirkender Propaganda und Desinformation.
Woher kommen die Daten?
Hier kommen die Charts zu den Krisen und Herausforderungen für Journalismus und Medien.
Viele dieser Daten kommen aus dem Digital News Report. Das ist die größte jährlich und rund um den Globus durchgeführte Online-Umfrage über die Nutzung und Wahrnehmung von Nachrichten. Das Reuters Institute for the Study of Journalism an der Universität Oxford konzipiert die Umfrage, durchgeführt wird sie von den Online-Marktforschern Yougov. Die Uni Salzburg erstellt anhand der Österreich-Daten den Digital News Report Austria.
Weitere Daten stammen vom österreichischen Finanzministerium über die Einnahmen aus Werbeabgaben, aus den Jahresabschlüssen internationaler Digitalkonzerne und Erhebungen der Mediaagenturgruppe Group M sowie aus Jobstatistiken. Die Quellen werden bei den Charts genannt und verlinkt.
Bitte keine Nachrichten (vor allem keine schlechten)!
Aktive Vermeidung von Nachrichten ist ein wesentliches Problem für die Medienbranche – die sich nicht zuletzt selbst fragen muss, was sie dagegen tun kann.
“Ich fühle mich von der Menge der Nachrichten, die heutzutage verfügbar sind, erschöpft.”
Dieser Aussage von der Erschöpfung durch News stimmen 2024 laut DNR in Österreich 12,2 Prozent "voll und ganz zu" – 20219 waren es noch 5,5 Prozent. "Eher" stimmen 2024 29,1 Prozent zu, vor fünf Jahren waren es knapp 25 Prozent. Stimmt eher nicht sagen nun 16,2 nach fast 26 Prozent vor fünf Jahren. Stimmt gar nicht 9,1 Prozent gegenüber 12 Prozent 2019.
Das Interesse an Nachrichten nimmt in den Erhebungen für den Digital News Report in Österreich recht kontinuierlich ab. Das Interesse ist laut DNR größer bei Männer, mit steigendem Alter, höherem Bildungsgrad und Haushaltseinkommen, größer links als rechts im politischen Spektrum.
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Vertrauen sinkt
Das Vertrauen in Nachrichtenquellen insgesamt geht in Österreich über die vergangenen Jahre kontinuierlich zurück. "Meistens" Vertrauen in die von einem selbst genutzten Medien/Nachrichtenquellen äußern nur noch 50 Prozent.
- International auf Platz 27 Österreichs Vertrauen in Nachrichtenmedien allgemein liegt mit 35 % im Mittelfeld unter den 47 Ländern, in denen der Digital News Report 2024 fragt.
- Österreich liegt damit etwa weit hinter den Werten der Top Ten Finnland (Höchstwert: 69 %), Kenia, Nigeria, Dänemark, Südafrika, Portugal, Norwegen, Hongkong, Niederlande Thailand (54 %)
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Nachrichtenquelle Social Media
In Österreichs Gesamtbevölkerung sind TV-Nachrichten wichtigste Nachrichtenquelle mit 26,9 Prozent Zustimmung. Bei jüngeren Zielgruppen sieht das ganz anders aus: 38,8 Prozent nennen Social Media als Hauptnachrichtenquelle.
Wie finden Menschen zu Online-Nachrichten? Gefragt wurde hier nach dem wichtigsten Weg. In der österreichischen Gesamtbevölkerung noch am stärksten direkt auf den Webseiten von Medien. Junge Menschen wiederum vor allem über Social Media.
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Zahlungsbereitschaft stagniert in Österreich
Die Zahlungsbereitschaft über alle Altersgruppen legte 2024 nicht wie in den vergangenen Jahren in Minischritten zu. Am höchsten ist sie laut Digital News Report bei Menschen zwischen 25 und 35; in dieser Altersgruppe sagen 20,4 Prozent, sie hätten im Vorjahr für Onlinenews bezahlt.
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Digitalriesen kassieren Werbeeinnahmen
2023 war es auch in Österreich so weit: Erstmals ging mehr Werbegeld an Digitalriesen wie Alphabet, Meta, Bytedance und Co als an klassische Medien wie TV, Radio, Print.
Die weltgrößten Werbeumsätze gehen längst an digitale Plattform- und Techkonzerne. Fast 54 Prozent der globalen Werbeumsätze 2023 verbuchten die Top Five: Google (Alphabet), Meta (Instagram, Facebook, Whatsapp), ByteDance (Tiktok), Amazon und Alibaba.
Hör' dir den Artikel an
Was kann man da tun?
Wie können Medien diesen Krisen und Herausforderungen begegnen? Ein paar Gedanken und Schlaglichter, die vielleicht zu Lösungen beitragen können:
- Medienmacher:innen in Journalismus und Management müssen sich noch stärker auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Userinnen und User einstellen. Klingt banal, ist aber gar nicht so einfach, über den aktuellen News auch andere Funktionen zu erfüllen. Mehr dazu in den zwei Charts unten. Und sie müssen entscheiden, ob sie mit Medien Geschäft machen wollen, oder ob ihr Ziel die tragfähige Finanzierung von Journalismus ist, der dessen Anspruch auch gerecht wird.
- Userinnen und User sind auf vielerlei Arten entscheidend: Welches Medium sie nutzen, entscheidet über dessen Werbeeinnahmen mit. Welches Medienangebot sie zahlen, entscheidet über deren wirtschaftliche Entwicklung mit. Welche Medieninhalte sie etwa auf sozialen Medien teilen, entscheidet über die Aufmerksamkeit für diese Medienangebote, aber auch über die Verbreitung von Sinn oder Unsinn, Fake oder Realität, Emotion oder Fakten mit. Welche Parteien und Politiker:innen mit welchen medienpolitischen Konzepten und Interessen sie wählen, entscheidet wesentlich über die Medienlandschaft, über die Entwicklung von Journalismus mit. Und die Entscheidung für Adblocker ist – auf journalistischen Seiten – auch eine Entscheidung gegen die Finanzierung von Journalismus.
- Medienpolitiker:innen mit parlamentarischer Mehrheit entscheiden über die Rahmenbedingungen für die Medienlandschaft – Gesetze, Förderungen und ihre Kriterien, Schutz von journalistischer Freiheit oder ihre Einschränkung, über öffentliche Werbebuchungen. Sie können im Sinne ihres kurzfristigen, persönlichen strategischen Vorteils entscheiden und versuchen, Medien zu möglichst freundlicher Berichterstattung zu bewegen. Oder im Sinne eines grundlegenden, langfristigen Ziels, mit nachhaltig finanziertem Journalismus und unabhängigen Medien Demokratie, vielleicht auch Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Zu den medienpolitischen Rahmenbedingungen zählen auch Regulierung und Kontrolle von digitalen Plattformen, etwa für Hate Speech und Desinformation, Transparenz und Datennutzung, Urheberrecht und Werbung.
- Wirtschaft und Werbekunden haben natürlich vor allem ein Kommunikationsinteresse. Aber auch sie können eine Verantwortung wahrnehmen für funktionierenden Journalismus.
Updates
Erwartungen und Vertrauensfragen
Zwei Charts noch aus dem Digital News Report 2024 über die Erwartungen von Userinnen und Usern in journalistische Angebote und darüber, was zum Vertrauen in Medien beitragen kann:
Von Nachrichten(medien) werden nicht nur aktuelle News erwartet, sondern auch Einordnung, Unterhaltung, gesellschaftliche Verbundenheit.
Timelines
Hast du noch Fragen? Fehlt etwas? Du hast Fehler gefunden? Du siehst das anders? Bitte lass mich das wissen, damit ich möglichst rasch korrigieren, ergänzen, ändern kann.
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Wie können Medien diesen Krisen und Herausforderungen begegnen? Ein paar Gedanken und Schlaglichter, die vielleicht zu Lösungen beitragen können:
- Medienmacher:innen in Journalismus und Management müssen sich noch stärker auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Userinnen und User einstellen. Klingt banal, ist aber gar nicht so einfach, über den aktuellen News auch andere Funktionen zu erfüllen. Mehr dazu in den zwei Charts unten. Und sie müssen entscheiden, ob sie mit Medien Geschäft machen wollen, oder ob ihr Ziel die tragfähige Finanzierung von Journalismus ist, der dessen Anspruch auch gerecht wird.
- Userinnen und User sind auf vielerlei Arten entscheidend: Welches Medium sie nutzen, entscheidet über dessen Werbeeinnahmen mit. Welches Medienangebot sie zahlen, entscheidet über deren wirtschaftliche Entwicklung mit. Welche Medieninhalte sie etwa auf sozialen Medien teilen, entscheidet über die Aufmerksamkeit für diese Medienangebote, aber auch über die Verbreitung von Sinn oder Unsinn, Fake oder Realität, Emotion oder Fakten mit. Welche Parteien und Politiker:innen mit welchen medienpolitischen Konzepten und Interessen sie wählen, entscheidet wesentlich über die Medienlandschaft, über die Entwicklung von Journalismus mit. Und die Entscheidung für Adblocker ist – auf journalistischen Seiten – auch eine Entscheidung gegen die Finanzierung von Journalismus.
- Medienpolitiker:innen mit parlamentarischer Mehrheit entscheiden über die Rahmenbedingungen für die Medienlandschaft – Gesetze, Förderungen und ihre Kriterien, Schutz von journalistischer Freiheit oder ihre Einschränkung, über öffentliche Werbebuchungen. Sie können im Sinne ihres kurzfristigen, persönlichen strategischen Vorteils entscheiden und versuchen, Medien zu möglichst freundlicher Berichterstattung zu bewegen. Oder im Sinne eines grundlegenden, langfristigen Ziels, mit nachhaltig finanziertem Journalismus und unabhängigen Medien Demokratie, vielleicht auch Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Zu den medienpolitischen Rahmenbedingungen zählen auch Regulierung und Kontrolle von digitalen Plattformen, etwa für Hate Speech und Desinformation, Transparenz und Datennutzung, Urheberrecht und Werbung.
- Wirtschaft und Werbekunden haben natürlich vor allem ein Kommunikationsinteresse. Aber auch sie können eine Verantwortung wahrnehmen für funktionierenden Journalismus.
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