Kronen Zeitung – Österreichs mächtiger Boulevardriese
Inhalt
Dieses Thema ist auch relevant für:
Warum ist das wichtig?
- Die Kronen Zeitung ist größte, reichweitenstärkste Zeitung Österreichs, inzwischen auch online einer der größten Player.
- Fast die Hälfte der Menschen in Österreich lasen laut Media-Analyse noch 2005 die Kronen Zeitung, das machte sie zeitweise zur relativ reichweitenstärksten Zeitung der Welt, gemessen an der Einwohnerzahl von Ländern.
- Inzwischen greift noch gut ein Fünftel zur gedruckten Krone, gut 28 Prozent nutzen sie gedruckt und/oder online täglich. In Print so groß wie die nächsten drei der größten Tageszeitungen, Print/Online größer als die nächsten zwei Titel.
- Die Kronen Zeitung trieb Österreichs Regierungspolitik mit ihren Kampagnen gegen Politiker:innen, Themen und Projekte über Jahrzehnte vor sich her. Noch immer fürchten Österreichs Regierende den gekonnt Wut schürenden Boulevardriesen. Man versucht die Krone (und andere Boulevardmedien) mit Informationen und öffentlichem Werbegeld freundlich zu stimmen.
- Strategisch geschickt sicherte Krone-Gründer Hans Dichand seine Kaufzeitung in den 2000ern mit der Gratiszeitung Heute ab. Gegründet vom bisherigen Pressesprecher eines befreundeten SPÖ-Politikers. Und, über Jahre verschleiert, im Mehrheitsbesitz von Dichands Schwiegertochter Eva.
- Krone und Heute sind national beziehungsweise im Hauptstadtmarkt Wien die größten Titel.
- Mit dem Kurier besitzt die Krone die Mediaprint, Österreichs größte, marktbeherrschende Zeitungsdruckerei und den größten Zeitungsvertrieb des Landes.
2024, möglicher Wendepunkt im ewigen Krone-Streit
Vorweg Aktuelles: 2024 könnte ein Wendepunkt im jahrzehntelangen, die Krone lähmenden, erbitterten Streit ihrer Gesellschafter werden und die Besitzverhältnisse an dem Boulevardriesen neu regeln. (Stand: Juni 2024)
Warum der Streit?
Die Krone gehört je zur Hälfte der Gründerfamilie Dichand und der deutschen Funke-Gruppe.
Funke wollte sich 1987 unbedingt an der Krone und ihren gewaltigen Gewinnen beteiligen, für die sich mehrere Konzerne interessierten. Die Funke-Gruppe bekam den Zuschlag, weil sie Hans Dichand und seiner Familie garantierte Gewinne einräumte, unabhängig vom Geschäftsgang, sowie andere Vorrechte etwa in der Redaktion.
Als die Gewinne der Krone mit dem Branchentrend zurückgingen, mussten die Funkes mehrfach die garantierten Gewinne selbst überweisen.
Mehrfache Kündigungen der Vereinbarungen durch die Funke-Gruppe blieben – Stand Juni 2024 – bisher erfolglos, dafür zuständige Schweizer Schiedsgerichte lehnten sie ab. Und sie verpflichteten die Funkes, Gewinngarantien tatsächlich zu überweisen. Einige Verfahren über Gewinnausschüttungen ab 2019/20 sind anhängig.
Welcher Wendepunkt?
- Verkaufsverhandlungen nach Signa-Pleite. Die Funke-Gruppe wollte ihre Anteile an Krone und Kurier an Immobilienunternehmer René Benko verkaufen, der sich 2019 an der Funke-Holding für die Österreich-Anteile beteiligte, mit Option auf die gesamten Anteile an Krone und Kurier. Anfang 2024 aber ging Benkos Signa Holding in Konkurs. Das ist der Anlass für neue Verhandlungen über die Anteile mit Dichands (Krone) und Raiffeisen, dem Hauptgesellschafter des Kurier. Raiffeisen will die Anteile am Kurier übernehmen, die Dichands jene an der Krone, oder zumindest auf eine Mehrheit aufstocken, wenn sich die Preisvorstellungen für alles zu stark unterscheiden. Eine Beteiligung von Raiffeisen an der Krone, womöglich auch eine in die Gegenrichtung, wird zumindest überlegt.
- Gewinngarantie halbiert. Im Juni 2024 stirbt Hans Dichands Witwe Helga. Zu ihren Lebzeiten sahen die Rahmenvereinbarungen mit der Funke-Gruppe noch eine Gewinngarantie von rund zehn Millionen Euro pro Jahr vor. Die nächste Generation ihrer Kinder bekommt nur noch die halbe Gewinngarantie. Auch das dürfte in den Verhandlungen Dichand/Funke eine Rolle spielen; für die Funkes wird es nun günstiger. Parallel läuft im Frühjahr 2024 ein weiteres Schiedsgericht, ob die Funkes diesmal die Rahmenvereinbarungen kündigen durften (ein weiterer Anlauf).
- Mediaprint zurückstutzen, verlegerische Entscheidungen bei Krone und Kurier. Nach dem Muster der Funke-Gruppe in Deutschland vereinten Krone und Kurier 1988 ihre Druckereien, Vertriebsorganisationen, Anzeigengeschäft und Aministration in einem gemeinsamen Verlagskonzern Mediaprint. Hier traf nun ein Gesellschafterausschuss von Funke, Raiffeisen und Dichands gemeinsam verlegerische Fragen für Krone und Kurier, die aber meist recht unterschiedliche Interessen hatten. Die Zeitungen bekamen von der Tochter ein Taschengeld, um ihre Redaktionen zu finanzieren. Nun soll die Mediaprint zur Servicetochter für Druck und Vertrieb zurückgestutzt werden, die beiden Zeitungen ihr Anzeigengeschäft und verlegerische Entscheidungen selbst managen.
Wem gehört die Krone?
Die Kronen Zeitung gehört, Stand Mitte 2024, zu je 50 Prozent der deutschen Funke-Mediengruppe in Familienbesitz und der Gründerfamilie von Hans Dichands.
Die Dichands hielten bis zum Tod von Mutter Helga im Juni 2024 je 12,5 Prozent an der Krone, sie und ihre Kinder Michael, Johanna und Christoph traten als Gesellschaftergruppe gebündelt auf. Wie Helga Dichand ihre 12,5 Prozent vererbt ist bisher unklar.
Wie groß ist die Krone - und warum ist sie so groß?
Die aktuellen Onlinereichweiten der Krone laut Österreichischer Webanalyse.
Die aktuellen Reichweiten der Krone national und in Wien.
Die historischen Reichweitentrends der Krone seit 1965.
Warum ist die Krone so groß? Die beide Gründer und späteren Hälfteeigentümer der Kronen Zeitung, Journalist und Herausgeber Hans Dichand sowie Verleger Kurt Falk, pushten das österreichische Boulevardblatt gemeinsam mit Geschick und überschaubaren Skrupeln in international beispiellose Höhen. Einige historische Erfolgsfaktoren im Überblick:
- Kampagnen und Brachialkolumnisten mit großem Gespür für die nicht immer schönen Seiten der österreichischen Seele, über viele Jahrzehnte gegen das Fremde, Andere und die da oben und mit viel Verständnis für sehr weit rechtes Ressentiment.
- Üppige Leserbriefseiten als Bestätigung für Publikum und Redaktion und Element der Stimmungsmache.
- Gegen- und Zusammenspiel mit Politik und Parteien, häufig SPÖ und inhaltlich FPÖ, aber ab 2017 auch gerne ÖVP. Im thematischen und emotionalen Zusammenspiel mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Facebook und Co gedieh krone.at.
- Die Politik hilft wirtschaftlich auch mit wesentlichen Werbebuchungen, auch Sozialgesetze, etwa für Zeitungsverkäufer, wurden schon nach den Wünschen der Krone gestaltet.
- Bedacht auf ausreichend positive, emotionale Beiträge im redaktionellen Teil für Stimmung und Gemüt.
- Kleinformat, zeitweise alleine im Markt (Konkurrenten ausgetrickst).
- Sonntags-Selbstbedienungsvertrieb, anfangs als einzige Zeitung im Markt.
- Regionalausgaben mit eigener Redaktion und Identität, teils eigener regionaler Blattlinie.
- Überregional früh Hauszustellung von Abos.
- Marketing: Abogeschenke, Abobeigaben, Gewinnspiele.
- Konkurrenten austricksen (bei Formatumstellungen), übernehmen, einstellen (Express), durch Umarmung redimensionieren (Kurier), Markt besetzen (Gratiszeitung Heute vor Start von Österrreich).
Die Krone macht Politik
Österreichs Politikerinnen und Politiker schielen seit Jahrzehnten auf den langjährigen Reichweitenriesen Kronen Zeitung und ihre Linie. Gründer und Herausgeber Hans Dichand (1929 – 2010) machte ihnen in vielen Hinterzimmergesprächen im Wiener Hotel Bristol klar, was sie tun müssen, um die Kronen Zeitung für sich zu gewinnen. Politisch-inhaltlich, aber auch wirtschaftlich. Die Politik passte Arbeits- und Sozialgesetze daran an, ließ Ministerien und andere öffentliche Stellen intensiv buchen, und richtete sich inhaltlich daran aus.
Reichweiten und Auflagen der Kronen Zeitung gehen zurück, ihr in weiten Teilen der Politik gefühlter Einfluss bleibt. Mit der Kampagne "Stimme Österreichs" zur Nationalratswahl will sie ihre lange in Schlagzeilen und Hinterzimmern vermittelte Position unterstreichen: Wir sagen (der Politik), was Österreich will.
Eigentümerfamilie Dichand wird vom Wirtschaftsmagazin Trend auf 850 Millionen Euro Vermögen geschätzt, Platz 60 der reichsten Österreicherinnen und Österreicher. Wer etwa Vermögenssteuern und Erbschaftssteuern wieder einführen will, kann eher nicht mit der Unterstützung der Krone rechnen.
Die Wirtschaft
Die Krone hat trotz laufender Rückgänge mit mehr als 477.000 (großteils voll bezahlten) Abos und einem Abopreis von rund 434 Euro ein recht solides wirtschaftliches Fundament. Eine einfache Multiplikation ergibt mehr als 200 Millionen Euro.
Im Krone-Kurier-Verlag Mediaprint überwiegen die Vertriebseinnahmen schon länger das Werbegeschäft. 2022/2023 kamen rund 229 Millionen Euro aus dem Zeitungsvertrieb, 132 Millionen aus Werbung.
Die Mediaprint machte im Geschäftsjahr 2022/23 bei einem Umsatz von 397 Millionen Euro laut Konzernabschluss einen Verlust von 23,7 Millionen Euro.
- Kleine, aber wirtschaftlich wesentliche Beteiligung: das größte Privatradio Kronehit (gehört 50:50 Krone und Kurier). Die 50-Prozent-Beteiligung an RTL-Vermarkterin IP Österreich verkauft die Krone im Herbst 2024 an Mitgesellschafter RTL.
Jobkürzungen 2023/2024
Die Kronen Zeitung verhandelt im Frühjahr 2024 über die Kürzung von rund 40 Jobs in der Redaktion (bis dahin rund 300) mit einem Sozialplan.
Der Kurier kürzte in zwei Wellen 2023 und 2024 20 und dann rund 40 Jobs in der Redaktion.
Deutliche Personalkürzungen gab es 2023 etwa auch bei der Kleinen Zeitung und beim Standard.
Das Personal
Christoph Dichand ist Herausgeber, Chefredakteur, Sprecher für die Familienanteile, die er mit seinen Geschwistern Michael und Johanna besitzt.
Christian Planegger sitzt als Vertrauter und Berater Christoph Dichands im Gesellschafterausschuss der Mediaprint.
Julia Becker ist Verlegerin und mit ihrer Familie Eigentümerin der Funke-Gruppe.
Michael Tillian ist Geschäftsführer der Mediaprint und der Kronen Zeitung, nominiert von der Funke-Gruppe.
Philipp König ist Geschäftsführer von Kronehit und könnte im Konzern noch mehr Aufgaben bekommen.
Klaus Herrmann ist geschäftsführender Chefredakteur und zugleich Chef der Steirer-Krone.
Rainer Nowak ist Ressortleiter Politik/Wirtschaft, "Superressortleiter" genannt.
Christoph Budin ist Ressortleiter Chronik/Gericht, auch ein "Superressort".
Claus Pandí war Politikchef, bevor er Krone-Chefredakteur für Salzburg wurde.
Die Geschichte
In Arbeit: Mein Überblick über die ziemlich wilde Geschichte der Krone und ihrer vielen und erbitterten Gesellschafterstreits braucht noch ein bisschen.
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Weit mehr als ein Dutzend Schiedsverfahren gab es schon im ewigen Streit der Krone-Gesellschafter seit Anfang der 2000er Jahre. Und wie jene davor geht auch diese Entscheidung Anfang Oktober 2023 in entscheidenden Punkten an die Familie Dichand. Es bestätigt die Rahmenvereinbarungen mit der Funke-Gruppe, die Vorrechte für die Dichands wie einen garantierten Gewinn vorsehen. Und es bestätigt im Grunde, dass bis zum Tod Helga Dichands Mitte Juni 2024 die volle Summe ausbezahlt werden muss, also um zehn Millionen Euro, eine Quelle spricht von inzwischen zwölf Millionen Euro pro Jahr. Danach bekommen die drei Kinder von Hans und Helga Dichand, Michael, Johanna und Christoph Dichand nur noch etwa die Hälfte des garantierten Gewinns. Es gibt aber in der 160-Seiten-Entscheidung des Schiedsgerichts auch einige für die Dichands weniger erfreuliche Punkte, höre ich, ebenso unbestätigt.
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